5. Die zeitgenössischen Texte als Überreste der correctio | 463
sonders daran gelegen, die Angelegenheit aufzuklären und nachzuweisen, dass die
strenge Askese des Inklusen durchaus von Heiligkeit zeugte. Bedenkt man, dass die
abbates comprovinciales selbst dafür plädierten, die monastische Lebensweise in
ihren Gemeinschaften strenger und asketischer auszurichten, wird Aibert schon na-
hezu zu einem Symbol für dieses Unterfangen. Die Einträge des Auctarium zu den
1130er Jahren führen den Mönchen von Anchin somit zweierlei vor Augen: Zum ei-
nen veranschaulichen sie auf klassische Weise, dass Weltflucht, strenges Fasten und
Handarbeit Ideale sind, die zum Ruf der Heiligkeit führten. Zum anderen zeigen
sie auch, wie schwierig es war, diesen ungewöhnlichen Weg zu Gott zu gehen, und
dies umso mehr, da man dabei mitunter schweren Anfeindungen ausgesetzt war.
Der Argwohn an Aiberts Heiligkeit steht in den 1130er Jahren sinnbildlich für die
Zweifel und Anfeindungen, mit denen nicht zuletzt die Abte des Generalkapitels
konfrontiert waren. Es sei hier nur an den berühmten Brief des Kardinallegaten
Matthäus von Albano erinnert, der die auf dem Generalkapitel beschlossene neue
und streng asketische Ausrichtung des Mönchtums scharf kritisierte. Bedenkt man,
dass Alvisus und sein Nachfolger Gossuin wohl zu den führenden Personen dieser
Versammlungen gehörten, ist es naheliegend, dass die Einträge des Auctarium in-
direkt hierauf anspielen. Das besondere Interesse, das Alvisus an diesem strengen
Asekten hatte, zeigt sich auch darin, dass ihm als Bischof von Arras ein Exemplar
der Vita Ayberti persönlich gewidmet wurde. Dieser Text stammte aus der Feder
Roberts, des Archidiakons von Cambrai, und entstand kurze Zeit nach dem Tod
Aiberts (1135) noch in den 1130er Jahren.1846 In dem erhaltenen Widmungsbrief
kommt Robert immer wieder auf die Frage nach der Echtheit oder Falschheit von
Heiligkeit zu sprechen und spielt damit ohne Zweifel auf die genannten Diffamie-
rungsversuche an.1847
Im Kontext der 1130er Jahre steht das besondere Interesse an Aibert und seiner
strengen Askese aber weniger in Verbindung mit der Etablierung einer strikteren
Lebensweise in Anchin als vielmehr mit deren Verteidigung. Die Einträge zu Aibert
sind nämlich nicht die ersten, die von der Bewunderung und dem großen Inter-
esse der Mönche von Anchin an derartigen Asketen zeugen. Bereits die Annalen
des Klosters, aber noch ausführlicher der erste Teil des Auctarium berichten voller
Freude über ihren einstigen Abt Gelduin.1848 Als Mönch von Saint-Vincent in Laon
sei er zum Abt von Saint-Michel in Thierache gewählt worden. Aber wegen der
1846 Ein späterer Zusatz des Auctarium verweist auf diese Vita. Auctarium, S. 395: »[...] Cuius vitam Ro-
bertus Ostrevadensis archidiaconus diligenti stilo elucidavit.« Eine Handschrift dieser Vita wurde in
der Klosterbibliothek aufbewahrt. Robert, Vita Ayberti, S. 672-682.
1847 Robert, Vita Ayberti, Epistola, S. 673-674.
1848 Siehe dazu oben S. 433.
sonders daran gelegen, die Angelegenheit aufzuklären und nachzuweisen, dass die
strenge Askese des Inklusen durchaus von Heiligkeit zeugte. Bedenkt man, dass die
abbates comprovinciales selbst dafür plädierten, die monastische Lebensweise in
ihren Gemeinschaften strenger und asketischer auszurichten, wird Aibert schon na-
hezu zu einem Symbol für dieses Unterfangen. Die Einträge des Auctarium zu den
1130er Jahren führen den Mönchen von Anchin somit zweierlei vor Augen: Zum ei-
nen veranschaulichen sie auf klassische Weise, dass Weltflucht, strenges Fasten und
Handarbeit Ideale sind, die zum Ruf der Heiligkeit führten. Zum anderen zeigen
sie auch, wie schwierig es war, diesen ungewöhnlichen Weg zu Gott zu gehen, und
dies umso mehr, da man dabei mitunter schweren Anfeindungen ausgesetzt war.
Der Argwohn an Aiberts Heiligkeit steht in den 1130er Jahren sinnbildlich für die
Zweifel und Anfeindungen, mit denen nicht zuletzt die Abte des Generalkapitels
konfrontiert waren. Es sei hier nur an den berühmten Brief des Kardinallegaten
Matthäus von Albano erinnert, der die auf dem Generalkapitel beschlossene neue
und streng asketische Ausrichtung des Mönchtums scharf kritisierte. Bedenkt man,
dass Alvisus und sein Nachfolger Gossuin wohl zu den führenden Personen dieser
Versammlungen gehörten, ist es naheliegend, dass die Einträge des Auctarium in-
direkt hierauf anspielen. Das besondere Interesse, das Alvisus an diesem strengen
Asekten hatte, zeigt sich auch darin, dass ihm als Bischof von Arras ein Exemplar
der Vita Ayberti persönlich gewidmet wurde. Dieser Text stammte aus der Feder
Roberts, des Archidiakons von Cambrai, und entstand kurze Zeit nach dem Tod
Aiberts (1135) noch in den 1130er Jahren.1846 In dem erhaltenen Widmungsbrief
kommt Robert immer wieder auf die Frage nach der Echtheit oder Falschheit von
Heiligkeit zu sprechen und spielt damit ohne Zweifel auf die genannten Diffamie-
rungsversuche an.1847
Im Kontext der 1130er Jahre steht das besondere Interesse an Aibert und seiner
strengen Askese aber weniger in Verbindung mit der Etablierung einer strikteren
Lebensweise in Anchin als vielmehr mit deren Verteidigung. Die Einträge zu Aibert
sind nämlich nicht die ersten, die von der Bewunderung und dem großen Inter-
esse der Mönche von Anchin an derartigen Asketen zeugen. Bereits die Annalen
des Klosters, aber noch ausführlicher der erste Teil des Auctarium berichten voller
Freude über ihren einstigen Abt Gelduin.1848 Als Mönch von Saint-Vincent in Laon
sei er zum Abt von Saint-Michel in Thierache gewählt worden. Aber wegen der
1846 Ein späterer Zusatz des Auctarium verweist auf diese Vita. Auctarium, S. 395: »[...] Cuius vitam Ro-
bertus Ostrevadensis archidiaconus diligenti stilo elucidavit.« Eine Handschrift dieser Vita wurde in
der Klosterbibliothek aufbewahrt. Robert, Vita Ayberti, S. 672-682.
1847 Robert, Vita Ayberti, Epistola, S. 673-674.
1848 Siehe dazu oben S. 433.