7. Die Vita Gosuini prima | 501
die Gemeinschaft auf der Scarpe-Insel zumindest in dieser Zeit eine besondere Re-
putation genossen haben.
Während die beschriebenen Interaktionen zwischen Anchin und den Gemein-
schaften von Affligem und Saint-Martin am ehesten Starthilfen für ein geregeltes
zönobitisches Leben gleichen, darf der Fall Marchiennes durchaus als correctio
bezeichnet werden. Die Wiederherstellung des Klosters, seines Besitzes und die
Neuetablierung des monastischen Lebens oblag dabei in erster Linie einer Gruppe
von Mönchen, die wie der Abt der Gemeinschaft, Amand von Castello, aus Anchin
stammten und eine erste Gruppe aus Saint-Bertin ablösten.2033 Ganz ähnlich verhielt
es sich gut 30 Jahre später im Stift Saint-Corneille in Compiegne. Dort wurde das
bestehende Kanonikerstift mit Unterstützung des Papstes, des Königs und Bern-
hards von Clairvaux auf gehoben und in ein Kloster umgewandelt.2034 Die Vita Go-
suini prima berichtet, dass eine Gruppe von 15 Mönchen aus Anchin, sowohl claus-
trales als auch officiales, unter der Leitung Prior Alexanders mit der Etablierung
monastischen Lebens betraut worden war.2035 Da in Saint-Corneille wenig später
Mönche aus Saint-Denis nachzuweisen sind, ging man in der Forschung davon aus,
dass der erste Versuch der Mönche aus Anchin ein Misserfolg war.2036
Dass die correctio bestehender Gemeinschaften aber nicht immer das Werk ge-
schlossener Gruppen sein musste, zeigen die in der Vita Gosuini prima geschilder-
ten Fälle Saint-Grepins, Saint-Medards und Saint-Remis. Dabei kam Gossuin und
seinem Bruder Bernhard bei der gezielten Wiederherstellung der Regelobservanz
eine wichtige Rolle zu. Wie bereits an anderer Stelle gezeigt wurde, legt dieser Text
den Schluss nahe, dass auch Mönche anderer Klöster in anderen Bereichen beteiligt
waren.2037
Das zweite Phänomen, das Gerzaguet bei der Beschreibung der »Reformbewe-
gung von Anchin« aufführt, entspricht, um es in den Worten Hallingers auszu-
drücken, dem »monarchischen Prinzip der Filiation«.2038 So habe die Abtei von An-
chin in der Zeit von ihren Anfängen bis zum Tod Abt Gossuins insgesamt 13 Äbte
anderer Gemeinschaften hervorgebracht. Die Vita Gosuiniprima zählt in einem ei-
genen Kapitel voller Freude auf, welche Schüler Abt Gossuins an die Spitze anderer
Gemeinschaften gelangt waren: So habe Leonius die Abtei von Saint-Bertin streng
2033 Siehe dazu oben S. 240.
2034 R. Gibbon, Vita Gosuini prima, II, c. 18, S. 154-157, hier 155-156: »Quibus itidem enerviter agentibus
& remise, supradictus Pontifex iussione, Rex piissimus Ludovicus precibus, Samson Dominus Rhe-
mensis, & Bernardus Clarevallensis literis precativis obtinuerunt a Venerabili Gosuino.«
2035 R. Gibbon, Vita Gosuini prima, II, c. 18, S. 156: »[...]adiunctis ei Claustralibus, & Officialibus, quorum
numerus quindenarium excedebat.«
2036 R. Gibbon, Vita Gosuini prima, II, c. 18, S. 157 wertet die correctio des Stifts als Erfolg.
2037 Siehe dazu oben S. 240, 494.
2038 K. Hallinger, Gorze-Kluny, S. 13.
die Gemeinschaft auf der Scarpe-Insel zumindest in dieser Zeit eine besondere Re-
putation genossen haben.
Während die beschriebenen Interaktionen zwischen Anchin und den Gemein-
schaften von Affligem und Saint-Martin am ehesten Starthilfen für ein geregeltes
zönobitisches Leben gleichen, darf der Fall Marchiennes durchaus als correctio
bezeichnet werden. Die Wiederherstellung des Klosters, seines Besitzes und die
Neuetablierung des monastischen Lebens oblag dabei in erster Linie einer Gruppe
von Mönchen, die wie der Abt der Gemeinschaft, Amand von Castello, aus Anchin
stammten und eine erste Gruppe aus Saint-Bertin ablösten.2033 Ganz ähnlich verhielt
es sich gut 30 Jahre später im Stift Saint-Corneille in Compiegne. Dort wurde das
bestehende Kanonikerstift mit Unterstützung des Papstes, des Königs und Bern-
hards von Clairvaux auf gehoben und in ein Kloster umgewandelt.2034 Die Vita Go-
suini prima berichtet, dass eine Gruppe von 15 Mönchen aus Anchin, sowohl claus-
trales als auch officiales, unter der Leitung Prior Alexanders mit der Etablierung
monastischen Lebens betraut worden war.2035 Da in Saint-Corneille wenig später
Mönche aus Saint-Denis nachzuweisen sind, ging man in der Forschung davon aus,
dass der erste Versuch der Mönche aus Anchin ein Misserfolg war.2036
Dass die correctio bestehender Gemeinschaften aber nicht immer das Werk ge-
schlossener Gruppen sein musste, zeigen die in der Vita Gosuini prima geschilder-
ten Fälle Saint-Grepins, Saint-Medards und Saint-Remis. Dabei kam Gossuin und
seinem Bruder Bernhard bei der gezielten Wiederherstellung der Regelobservanz
eine wichtige Rolle zu. Wie bereits an anderer Stelle gezeigt wurde, legt dieser Text
den Schluss nahe, dass auch Mönche anderer Klöster in anderen Bereichen beteiligt
waren.2037
Das zweite Phänomen, das Gerzaguet bei der Beschreibung der »Reformbewe-
gung von Anchin« aufführt, entspricht, um es in den Worten Hallingers auszu-
drücken, dem »monarchischen Prinzip der Filiation«.2038 So habe die Abtei von An-
chin in der Zeit von ihren Anfängen bis zum Tod Abt Gossuins insgesamt 13 Äbte
anderer Gemeinschaften hervorgebracht. Die Vita Gosuiniprima zählt in einem ei-
genen Kapitel voller Freude auf, welche Schüler Abt Gossuins an die Spitze anderer
Gemeinschaften gelangt waren: So habe Leonius die Abtei von Saint-Bertin streng
2033 Siehe dazu oben S. 240.
2034 R. Gibbon, Vita Gosuini prima, II, c. 18, S. 154-157, hier 155-156: »Quibus itidem enerviter agentibus
& remise, supradictus Pontifex iussione, Rex piissimus Ludovicus precibus, Samson Dominus Rhe-
mensis, & Bernardus Clarevallensis literis precativis obtinuerunt a Venerabili Gosuino.«
2035 R. Gibbon, Vita Gosuini prima, II, c. 18, S. 156: »[...]adiunctis ei Claustralibus, & Officialibus, quorum
numerus quindenarium excedebat.«
2036 R. Gibbon, Vita Gosuini prima, II, c. 18, S. 157 wertet die correctio des Stifts als Erfolg.
2037 Siehe dazu oben S. 240, 494.
2038 K. Hallinger, Gorze-Kluny, S. 13.