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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0538
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534 | Schlussfolgerungen

auf dem Schweigegebot, dem Fasten, der Keuschheit oder bestimmten inneren Hal-
tungen, wie Gehorsam, Gleichmut und Beständigkeit. All diesen Idealen, die dem
Leser ein gottgefälliges Leben vor Augen führen sollten, eint allerdings die Tatsache,
dass es sich um sehr weit gefasste Begriffe handelt, die nicht nur die Grundpfeiler
des Mönchtums ausmachen, sondern als monastische Allgemeinplätze bezeich-
net werden können - und mitunter allgemein christliche Tugenden umschreiben.
Nach Melville dienten derartige spirituelle Leitideen dazu, bei den Mönchen
eine Grundhaltung zu schaffen, die letztlich notwendig war, um in einem zweiten
Schritt mit den Regeltexten und Gewohnheiten der Gemeinschaft vertraut gemacht
zu werden. Eben dies bedeutet aber letzten Endes, dass in diesen Texten verwendete
Begriffe wie beispielsweise caritas oder silentium in der konkreten Umsetzung von
Kloster zu Kloster ganz unterschiedlich belegt werden konnten. Sie zeugen zum
einen von der Offenheit des Mönchtums jener Zeit und zum andern vom großen
Interpretationsspielraum bei der Umsetzung einer inneren correctio.
3.2. Die Vermittlung eines gottgefälligen Lebens
Die Rückkehr einer Gemeinschaft zu einem gottgefälligen Leben, zu religio, dis-
ciplina oder dem ordo, zielte letztendlich auf zwei Bereiche ab: zum einen auf die
bereits thematisierten spirituellen Leitideen, zum anderen auf die normativen Ver-
haltensstrukturen und die Organisation in Form von konkreten Regeln und Ge-
wohnheiten.2106
Die Vermittlung eines gottgefälligen Lebens basierte wiederum auf zwei Pfei-
lern, nämlich auf dem Prinzip des docere verbo et exemplo - das heißt der Per-
formanz - und auf dem geschriebenen Wort. Während letzteres, wie Cochelin
zeigen konnte, ab der Zeit um 1100 immer bedeutender wurde, haben die Beispiele
deutlich gemacht, dass weiterhin auch die persönliche Unterweisung der Mönche
eine zentrale Rolle spielte - und dies auch noch in der zweiten Hälfte des 12. Jahr-
hunderts.2107 Auf diese Weise wurden aber nicht nur Liturgie und alltägliche Prakti-
ken vermittelt, sondern auch die spirituellen Leitideen der Gemeinschaft. Eben dies
veranschaulicht die Vita Gosuini prima eindrücklich.
Die Praxis bei der Vermittlung eines gottgefälligen Lebens durch Texte zeugt
hingegen von einem sehr offenen Umgang mit diesem Medium. Während in der
Forschung lange Zeit die Meinung vorherrschte, Gemeinschaften orientierten sich
2106 G. Melville, Institutionen als geschichtswissenschaftliches Thema; K. Schreiner, Dauer, Niedergang
und Erneuerung.
2107 Siehe dazu oben S. 40-43.
 
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