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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0017
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1. Einleitung

stand ist durchaus bemerkenswert. Bemerkenswert nicht, weil in ihnen ein esote-
risches Wissen schlummert, das dem modernen Menschen helfen könnte, sein
Dasein in einem wie auch immer gedachten ganzheitlichen Sinne zu bewältigen.
Bemerkenswert deshalb, weil diese Texte nicht nur zur Zeit ihrer Entstehung im
Hohen Mittelalter großes Interesse fanden, sondern diese Beachtung zugleich
von langer Dauer war und erst im 18. Jahrhundert abebbte, bevor sie im 19. Jahr-
hundert fast zum Erliegen kam. Gerade aber ihre ehemals weite Verbreitung und
die Omnipräsenz ihrer Inhalte machen sie zu wichtigen Schlüsseln für das Ver-
ständnis von Theologie und Philosophie der folgenden Jahrhunderte als jener
beiden Wissenschaften, in denen das Erbe der monastischen Ethik des Hohen
Mittelalters verwaltet wurde.
Diese Nichtbeachtung entsprechender Texte über das Gewissens, die primär
,Lebenskunst‘ und nicht Ontologie vermitteln wollten, ist dabei umso auffälliger,
als das Gewissen in seiner historischen Dimension durchaus bereits das Interesse
der Forschung gefunden hat: Doch standen und stehen hier bisher vor allem die
scholastischen Traditionen einer analytischen Beschäftigung mit dem Gewissen
im Vordergrund. Dies gilt für allgemeine Darstellungen17 ebenso wie für Studien
zu einzelnen Autoren18 - auch wenn sich einige Forscher dieser Leerstelle durch-
aus bewusst sind.19
Dieser Umstand ist dabei jedoch keineswegs nur auf akademische Traditions-
linien einer Philosophiegeschichtsschreibung zurückzuführen, innerhalb derer
vorrangig die Geschichte des Faches seit seiner Institutionalisierung geschrieben
17 Vgl. hier vor allem die große Studie von O. Lottin, Psychologie et morale - hier ist insbeson-
dere auf den Abschnitt Synderese et conscience aux xne et xme siede, Bd. 2.1, S. 101-349, zu
verweisen - sowie T. Potts, Conscience in Medieval Philosophy, Ders., Conscience.
18 Vgl. zu Origenes: J. Stelzenberger, Conscientia bei Origenes sowie zu dessen Einfluss auch:
Delhaye, La probleme, S. 54-9; zu Augustinus: J. Stelzenberger, Conscientia bei Augusti-
nus-, zu Abelard: die Arbeiten von B. Hennig, M. Perkams und E. Volk; zu Bonavantura:
Baum, Licht des Gewissens, zu dessen Schüler Walter von Brügge: R. Hofmann, Die Gewis-
senslehre. Die Literatur zu Thomas von Aquin ist kaum zu überblicken, vgl. mit weiteren
Hinweisen die neueren Studien von: M. Mager, Gewissen und Klugheit sowie Th. Schwartz,
Zwischen Unmittelbarkeit und Vermittlung. Thomas dominiert die Darstellungen in kaum re-
präsentativer Weise, vgl. z.B. J. Mahoney, The Making of Moral Theology, S. 185-93 (Consci-
ence and its Functions), der den Eindruck vermittelt, ausschließlich Thomas hätte sich im Mit-
telalter geäußert.
19 So z. B. D. Kartschoke, Der epische Held, der in seiner Studie einen Überblick der Ge-
schichte des Begriffs vom Gewissen gibt (S. 149-59), sich hier allerdings auf die Schulphilo-
sophie beschränkt. Er verweist jedoch zugleich darauf (S. 158), dass „der theoretischen Dis-
kussion des Gewissens [...] seine Aktualisierung in der monastisch-mystischen Lebenslehre
voranfging]“. Uta Störmer-Caysa hingegen meinte, dass das „vernünftige Gewissen“ in der
höfischen Epik erfunden worden sei, „ehe es philosophisch beschrieben“ wurde. U. Stör-
mer-Caysa, Gewissen und Buch, S. 57.
 
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