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Sonntag, Jörg [Hrsg.]; Verlag Schnell & Steiner [Hrsg.]; Ziegler, Thomas A. [Bearb.]
Die Statuten der Wilhelmiten (1251-1348): Zeugnisse der Verfassung eines europäischen Ordens : Edition und Übersetzung — Klöster als Innovationslabore, Band 5: Regensburg: Schnell + Steiner, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.53725#0021
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Kapitel 1.
Die Wilhelmiten.
Zur Genese eines besonderen Ordens
Als der extreme Askese praktizierende Eremit Wilhelm1 am 10. Februar 1157
in Malavalle, oberhalb von Castiglione della Pescaia im Bistum Grosseto starb,
mochte sein einziger Mitbruder und Gefährte Albert nicht geahnt haben, wie
rasch sich an Wilhelms Grab dort im Bergtal des Poggio Ballone eine Eremiten-
gemeinschaft etablieren würde. Erst recht mochte er sich kaum vorgestellt haben
können, wie schnell um diese eine von unüberschaubar vielen zeitgleich in der Tos-
kana entstehenden Gemeinschaften ein Orden europäischen Ausmaßes erwach-
sen sollte, der als Ordo fratrum Eremitarum S. Guillelmi eine tatsächlich in jed-
weder Hinsicht bewegte und spannungsreiche, beinahe 700-jährige Geschichte
durchlaufen sollte.
Bereits ca. 20 Jahre nach Wilhelms Tod erlaubte Papst Alexander III. (f 1181)
dessen Kult in der Diözese Bischof Martins von Grosetto.2 Die ersten Eremiten-
gruppen, die sich um die ehemalige Klause des Wilhelm niedergelassen hatten,
führten ein ähnliches Leben wie die frühen Kartäuser.3 Mit hoher Wahrscheinlich-
keit folgten sie der Wilhelmsregel, die als ordo und Regula s. Guilelmi bis ca. 1250
in einigen Papstbriefen Erwähnung fand, deren Inhalt aber bereits im späten Mit-

1 Entlang der beiden Viten (Libellus de vita patris et auditu percepta und Vita s. Guilelmi) ist
schon im Mittelalter über die Person dieses Wilhelm spekuliert worden. Einige sahen in ihm
Wilhelm von Toulouse (f um 812), die Mehrheit einschließlich der Ordenshistoriographie aber
identifizierte ihn mit Herzog Wilhelm von Aquitanien (f 1137), einen Gegner des Papstes, der
durch Bernhard von Clairvaux zum religiösen Leben bekehrt worden sei. Tatsächlich jedoch
handelte es sich weder um den einen noch um den anderen. Zu den Diskussionen um den Or-
denspatron, dessen vermeintliche Bekehrungsgeschichte gar in die berühmten Miracles de Nost-
re Dame einging, und seine ,zisterziensische Überzeichnung^ siehe ausführlich vor allem Elm,
Beiträge zur Geschichte, S. 11-26, 172-191 und Elm, Zisterzienser und Wilhelmiten, S. 8-18.
Vgl. Figara, La grande stagione dell’eremitismo, Kap. IV und im komparativen Sinne Gatta,
Pellegrinaggio e santitä, S. 81-88.
2 Gemeinhin setzt die Forschung die Genehmigung des Wilhelm-Kultes zwischen 1174 und 1181
an. Als Heiliger wurde Wilhelm im Jahr 1202 von Innozenz III. anerkannt. Vgl. mit Nachweisen
Elm, Zisterzienser und Wilhelmiten, S. 18 und Elm, Beiträge zur Geschichte, S. 34-35. Siehe
auch die Handschrift C der Statuten, fol. 196v: Anno Domini MCCII canonizatus est sanctus
Guillelmus xm annis ante concilium generate quod fuit anno mccxv.
3 Siehe detailliert van Luijk, Gli eremiti neri, S. 1-28 und Elm, Gli eremiti neri, S. 58-59.
 
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