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Einleitung
telalter nicht mehr bekannt gewesen zu sein scheint.4 Die frühe Lebensweise der
Brüder lässt sich heute am ehesten aus den Viten Wilhelms erschließen, wie dies
Kaspar Elm getan hat,5 6 ansatzweise aber auch aus dem hier erstmals edierten Pro-
log des 1267 diskutierten und in den Folgejahren promulgierten Liber Ordinari-
us.*3 Dort heißt es, man orientiere sich an der überlieferten Lebensweise der Vor-
fahren, die kein Abtsamt oder kirchliche Würden geführt hätten. Die Eremitorien
unterstünden Prioren, die dementsprechend auch nicht in einer Abtsküche äßen.7
Weltabgeschiedenheit, immerwährendes Gebet und extreme Entsagung stünden
wie bei den ersten Eremiten im Zentrum des wilhelmitischen Propositums. Dem-
nach lebten und beteten jene Brüder in individuellen Zellen und fasteten das ge-
samte Jahr über, mit Ausnahme der Sonntage. Während sie innerhalb des Ere-
mitoriums barfuß liefen, trugen sie außerhalb Schuhe und (zumindest in dieser
frühen Zeit) den obligatorischen Eremitenstab. Zudem ist die Rede von einem
einfachen, unkolorierten Wollhabit mit weiten Ärmeln und einem ihn umschlie-
ßenden Gürtel. Die frühen Wilhelmiten lebten von eigener Arbeit, der Pilgerfür-
sorge und von Almosen. Bettel im Sinne der Mendikanten spielte (noch) keine
Rolle. Dennoch, so zeigte bereits Kaspar Elm auf, insistierten die Franziskaner
aufgrund einer offensichtlichen Konkurrenzsituation schon seit den frühen 1230-
er Jahren mehrfach bei den Päpsten darauf, die Wilhelmiten mögen - aufgrund
der Verwechslungen - ihren Habit ändern.8
Schon im Jahr 1237/38 verpflichtete Gregor IX. (J 1241) die Eremiten zur Über-
nahme der Benediktsregel, der einschlägigen Regel zönobitischen Lebens. Sie sieht
gemeinsames Essen, gemeinsames Schlafen und gemeinsames Gebet vor, war also
eigentlich mit eremitischem Leben kaum vereinbar. Im Prolog jenes Liber Or-
dinarius machten die Wilhelmiten allerdings deutlich, dass sie selbstredend nicht
buchstäblich nach der Benediktsregel lebten. Dies sei, wie man wisse, ohnehin nur
mit einer Vielzahl an Konventualen und Reichtümern möglich. Vielmehr handele
es sich für sie um einen spirituellen Leittext. Eine etwaige Ursache jenes päpst-
lichen Regel-Vorstoßes lag sicher nicht nur in der Absicht, das harsche Leben
4 Honorius III. (f 1227) bestätigte (u. a. 1224) den ordo bzw. die regula s. Guilelmi. Gregor IX.
(4 1241) stellte 1232 diese regula der Augustinusregel gleich. Auch Innozenz III. (f 1216) deu-
tete sie 1211 an. Vgl. mit zahlreichen Nachweisen siehe z. B. Elm, Einleitung, S. 1091 und Elm,
Beiträge zur Geschichte, S. 37—41.
5 Elm, Beiträge zur Geschichte, S. 3-18.
6 Zum Liber Ordinarius siehe unten, S. 364-374.
7 Siehe den Prolog des Liber Ordinarius, unten, S. 368.
8 Dazu und generell zum Phänomen der Verwechslung, das auch andere Orden betraf, die des-
halb den Unmut der Franziskaner und Dominikaner auf sich zogen, vgl. Elm, Beiträge und
Geschichte, S. 49.
Einleitung
telalter nicht mehr bekannt gewesen zu sein scheint.4 Die frühe Lebensweise der
Brüder lässt sich heute am ehesten aus den Viten Wilhelms erschließen, wie dies
Kaspar Elm getan hat,5 6 ansatzweise aber auch aus dem hier erstmals edierten Pro-
log des 1267 diskutierten und in den Folgejahren promulgierten Liber Ordinari-
us.*3 Dort heißt es, man orientiere sich an der überlieferten Lebensweise der Vor-
fahren, die kein Abtsamt oder kirchliche Würden geführt hätten. Die Eremitorien
unterstünden Prioren, die dementsprechend auch nicht in einer Abtsküche äßen.7
Weltabgeschiedenheit, immerwährendes Gebet und extreme Entsagung stünden
wie bei den ersten Eremiten im Zentrum des wilhelmitischen Propositums. Dem-
nach lebten und beteten jene Brüder in individuellen Zellen und fasteten das ge-
samte Jahr über, mit Ausnahme der Sonntage. Während sie innerhalb des Ere-
mitoriums barfuß liefen, trugen sie außerhalb Schuhe und (zumindest in dieser
frühen Zeit) den obligatorischen Eremitenstab. Zudem ist die Rede von einem
einfachen, unkolorierten Wollhabit mit weiten Ärmeln und einem ihn umschlie-
ßenden Gürtel. Die frühen Wilhelmiten lebten von eigener Arbeit, der Pilgerfür-
sorge und von Almosen. Bettel im Sinne der Mendikanten spielte (noch) keine
Rolle. Dennoch, so zeigte bereits Kaspar Elm auf, insistierten die Franziskaner
aufgrund einer offensichtlichen Konkurrenzsituation schon seit den frühen 1230-
er Jahren mehrfach bei den Päpsten darauf, die Wilhelmiten mögen - aufgrund
der Verwechslungen - ihren Habit ändern.8
Schon im Jahr 1237/38 verpflichtete Gregor IX. (J 1241) die Eremiten zur Über-
nahme der Benediktsregel, der einschlägigen Regel zönobitischen Lebens. Sie sieht
gemeinsames Essen, gemeinsames Schlafen und gemeinsames Gebet vor, war also
eigentlich mit eremitischem Leben kaum vereinbar. Im Prolog jenes Liber Or-
dinarius machten die Wilhelmiten allerdings deutlich, dass sie selbstredend nicht
buchstäblich nach der Benediktsregel lebten. Dies sei, wie man wisse, ohnehin nur
mit einer Vielzahl an Konventualen und Reichtümern möglich. Vielmehr handele
es sich für sie um einen spirituellen Leittext. Eine etwaige Ursache jenes päpst-
lichen Regel-Vorstoßes lag sicher nicht nur in der Absicht, das harsche Leben
4 Honorius III. (f 1227) bestätigte (u. a. 1224) den ordo bzw. die regula s. Guilelmi. Gregor IX.
(4 1241) stellte 1232 diese regula der Augustinusregel gleich. Auch Innozenz III. (f 1216) deu-
tete sie 1211 an. Vgl. mit zahlreichen Nachweisen siehe z. B. Elm, Einleitung, S. 1091 und Elm,
Beiträge zur Geschichte, S. 37—41.
5 Elm, Beiträge zur Geschichte, S. 3-18.
6 Zum Liber Ordinarius siehe unten, S. 364-374.
7 Siehe den Prolog des Liber Ordinarius, unten, S. 368.
8 Dazu und generell zum Phänomen der Verwechslung, das auch andere Orden betraf, die des-
halb den Unmut der Franziskaner und Dominikaner auf sich zogen, vgl. Elm, Beiträge und
Geschichte, S. 49.