Metadaten

Sonntag, Jörg [Hrsg.]; Verlag Schnell & Steiner [Hrsg.]; Ziegler, Thomas A. [Bearb.]
Die Statuten der Wilhelmiten (1251-1348): Zeugnisse der Verfassung eines europäischen Ordens : Edition und Übersetzung — Klöster als Innovationslabore, Band 5: Regensburg: Schnell + Steiner, 2019

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53725#0024
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
20

Einleitung

Diese neue europäische Dimension des Ordens, an dessen Spitze der auf Le-
benszeit gewählte Prior von Malavalle als Generalprior stand, machte eine Ein-
teilung in Provinzen notwendig. Zur toskanischen trat nun eine französische (ein-
schließlich der niederdeutschen Konvente) und eine deutsche Provinz (einschließ-
lich böhmischer und ungarischer Konvente).13 Zu Recht machte Kaspar Elm al-
lerdings darauf aufmerksam, dass die oft auf Grenzwertböden errichteten Häuser
kaum mehr als fünf bis zehn Brüder ernähren konnten. Wilhelmitische Konven-
te waren damit weit entfernt von den Mitgliederstärken anderer Orden, auch der
Zisterzienser, die zur Neugründung in der Regel zwölf Brüder aussandten und
deren Klöster erst ab dieser Zahl als überlebensfähig galten.14
Gerade in dieser Expansionsphase der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts je-
doch vereinigte Gregors Nachfolger, Papst Alexander IV. (f 1261), unter der Fe-
derführung von Kardinal Richard Annibaldi die Wilhelmiten und andere toska-
nische Eremitengemeinschaften zum Ordensverband der Augustiner-Eremiten.
Diese wiederum hatten die weitaus flexiblere Augustinusregel zu ihrem Basistext
erwählt. Die Ordenszentrale in Malavalle stimmte zwar am 09. April 1256 der
genannten Vereinigung zu, wiederrief sie aber rasch, so dass die Wilhelmiten die-
sen künstlichen Verbund - eigentlich - bereits am 22. August 1256 wieder verlie-
ßen. Während die Konvente in Frankreich, Flandern und Italien darum von jenem
päpstlichen Versuch, die unüberschaubare Anzahl eremitischer Gemeinschaften
zu strukturieren und in den Dienst der kirchlichen Seelsorge zu stellen, vollkom-
men unberührt blieben, war dies in der deutschen Provinz tatsächlich anders. Hier
schlossen sich ganze 15 Konvente auch noch nach 1256 den Augustiner-Eremiten
an. Nach langen, an der Kurie deshalb anhängigen Rechtsstreitigkeiten zwischen
beiden Orden kam es schließlich zehn Jahre später, am 30. August 1266, zur Klä-
rung durch die Bulle ,Ea quae iudicio‘ Papst Clemens’ IV. (f 1268), welche die
Rückgabe aller Häuser außerhalb Deutschlands und Ungarns sowie dreier expli-
zit genannter deutscher Häuser (Marienpforte, Weißenborn und Oberried) an die

13 Zur Ausbreitung des Ordens in Flandern und die Einbindung der Konvente in die französische
Provinz vgl. Juten, De orde van den H. Guilelmus, S. 45-66 und Crick, Bijdrage tot de Ge-
schiedenis der Wilhelmietenorde, S. 155-199 sowie Elm, Beiträge zur Geschichte, S. 55-73 oder
Elm, Die Wilhelmiten, S. 10.
14 Vgl. Elm, Die Wilhelmiten, S. 14. Einen neuen Abt dürfe man gemäß der zisterziensischen Statu-
ten von 1134 niemals ohne wenigstens zwölf Brüder, Psalterium, Hymnarium, Kollektenbuch,
Antiphonar, Regel und Missale aussenden. Ferner müssten Oratorium, Refektorium, Dormito-
rium, Gästehaus und Pförtnerzelle schon vor dem Eintreffen der Mönche vorhanden sein. Vgl.
die Instituta generalis capituli apud Cistercium (1134), 11-12, S. 461. Dazu und zur Symbolik
der Zwölfzahl in den hochmittelalterlichen Reformbewegungen siehe Sonntag, Klosterleben
im Spiegel des Zeichenhaften, S. 82.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften