Einleitung
21
Wilhelmiten zum Inhalt hatte. Zwölf Klöster gingen also dauerhaft verloren.15 Die
hieraus resultierenden Animositäten zwischen beiden Orden hielt unterdessen bis
zur Auflösung des Ordens im 19. Jahrhundert an.
Dennoch stagnierte die weitere Ausbreitung der Wilhelmiten zunächst nicht.
Nun aber suchten sie aus Gründen der existentiellen Grundsicherung eines je-
den Hauses verstärkt den Weg in die Städte. Eremitorien, wie die Wilhelmiten
ihre Häuser nach wie vor nannten, entstanden beispielsweise in Paris, Straßburg,
Worms, Speyer und Mainz. Vor allem diese Konvente waren es, welche immer
stärker in die Nähe der Bettelorden rückten und Seelsorge betrieben. Kaum zufäl-
lig akzentuierte König Philipp VI. von Frankreich (f 1350) gerade die Funktion
des Bettels auch für die Wilhelmiten: Arme Mendikanten seien sie, und nichts
hätten sie zu eigen, obwohl ihnen der Besitz von Eigentum erlaubt sei.16 Möglich
wurde dies wohl zuallererst durch die genannten Privilegien Innozenz’ IV Vor
allem jenseits der italienischen Provinz machte man rege davon Gebrauch. Zwar
blieb der Wilhelmitenorden Männern vorbehalten. Dennoch betreuten auch die
Wilhelmiten wie die Franziskaner, Dominikaner oder Augustiner-Eremiten bald
nicht wenige Beginen und einzelne Inklusen und klausurierte Frauengemeinschaf-
ten. Dies war u. a. Straßburg, Nivelles, Aalst oder Limburg der Fall. Aus solchen
Frauengemeinschaften ist jedoch nie ein zweiter Orden wie im Falle der Zisterzi-
enser oder Franziskaner hervorgegangen.17 18
Immer wieder traten wilhelmitische Prioren als Akteure in städtischen Angele-
genheiten hervor. Im Jahr 1356 etwa nahm ein gewisser Andreas, Provinzial der
deutschen Provinz, in Straßburg, um dessen Wilhelmitenkonvent zähe Kämpfe
geführt wurden, an einer Versammlung teil, in der die über die Stadt verhängte
Exkommunikation aufgehoben wurde.ls Die Wilhelmiten in Wasungen, um we-
nigstens ein zweites Beispiel zu nennen, hatten zahlreiche Grundstücke in der
Stadt erworben. Der Stadtrat bemühte sich deshalb rasch, dem Konvent jeglichen
Erwerb bürgerlicher Güter in ihrer Flur zu verwehren, weil die Ratskasse wegen
15 Um den Streit für immer zu lösen, schnitt die Kurie den beiden Orden durch die Auferlegung ei-
nes silentium perpetuum jede Revisionsmöglichkeit ab. Vgl. auch Elm, Ea quae iudicio, S. 551
(1964) und S. 495-509 (1965) sowie Ders., Einleitung, S. 1090 und Ders., Beiträge zur Geschich-
te, S. 118.
16 Elm, Die Wilhelmiten, S. 14. Kaspar Elm weist in diesem Kontext auf die weit verbreitete Satire
des Rutebeufe hin, der schon im Jahr 1263 lästerte, die Lebensweise der Eremiten habe nur noch
wenig mit ihren ursprünglichen Idealen zu tun. Vgl. ebenda und Elm, Beiträge zur Geschichte,
S. 105 und die Ouevres completes de Rutebeuf, ed. Faral / Bastin, Bd. 1, S. 329 und 333.
17 Dazu Elm, Beiträge zur Geschichte, S. 140-141 und etwa Braasch-Schwersmann, Brüder und
Schwestern der Wilhelmiten, S. 270-280 (hier zu Limburg).
18 Siehe den Eintrag zur entsprechenden Straßburger Urkunde in Elm, Einleitung, S. 1106.
21
Wilhelmiten zum Inhalt hatte. Zwölf Klöster gingen also dauerhaft verloren.15 Die
hieraus resultierenden Animositäten zwischen beiden Orden hielt unterdessen bis
zur Auflösung des Ordens im 19. Jahrhundert an.
Dennoch stagnierte die weitere Ausbreitung der Wilhelmiten zunächst nicht.
Nun aber suchten sie aus Gründen der existentiellen Grundsicherung eines je-
den Hauses verstärkt den Weg in die Städte. Eremitorien, wie die Wilhelmiten
ihre Häuser nach wie vor nannten, entstanden beispielsweise in Paris, Straßburg,
Worms, Speyer und Mainz. Vor allem diese Konvente waren es, welche immer
stärker in die Nähe der Bettelorden rückten und Seelsorge betrieben. Kaum zufäl-
lig akzentuierte König Philipp VI. von Frankreich (f 1350) gerade die Funktion
des Bettels auch für die Wilhelmiten: Arme Mendikanten seien sie, und nichts
hätten sie zu eigen, obwohl ihnen der Besitz von Eigentum erlaubt sei.16 Möglich
wurde dies wohl zuallererst durch die genannten Privilegien Innozenz’ IV Vor
allem jenseits der italienischen Provinz machte man rege davon Gebrauch. Zwar
blieb der Wilhelmitenorden Männern vorbehalten. Dennoch betreuten auch die
Wilhelmiten wie die Franziskaner, Dominikaner oder Augustiner-Eremiten bald
nicht wenige Beginen und einzelne Inklusen und klausurierte Frauengemeinschaf-
ten. Dies war u. a. Straßburg, Nivelles, Aalst oder Limburg der Fall. Aus solchen
Frauengemeinschaften ist jedoch nie ein zweiter Orden wie im Falle der Zisterzi-
enser oder Franziskaner hervorgegangen.17 18
Immer wieder traten wilhelmitische Prioren als Akteure in städtischen Angele-
genheiten hervor. Im Jahr 1356 etwa nahm ein gewisser Andreas, Provinzial der
deutschen Provinz, in Straßburg, um dessen Wilhelmitenkonvent zähe Kämpfe
geführt wurden, an einer Versammlung teil, in der die über die Stadt verhängte
Exkommunikation aufgehoben wurde.ls Die Wilhelmiten in Wasungen, um we-
nigstens ein zweites Beispiel zu nennen, hatten zahlreiche Grundstücke in der
Stadt erworben. Der Stadtrat bemühte sich deshalb rasch, dem Konvent jeglichen
Erwerb bürgerlicher Güter in ihrer Flur zu verwehren, weil die Ratskasse wegen
15 Um den Streit für immer zu lösen, schnitt die Kurie den beiden Orden durch die Auferlegung ei-
nes silentium perpetuum jede Revisionsmöglichkeit ab. Vgl. auch Elm, Ea quae iudicio, S. 551
(1964) und S. 495-509 (1965) sowie Ders., Einleitung, S. 1090 und Ders., Beiträge zur Geschich-
te, S. 118.
16 Elm, Die Wilhelmiten, S. 14. Kaspar Elm weist in diesem Kontext auf die weit verbreitete Satire
des Rutebeufe hin, der schon im Jahr 1263 lästerte, die Lebensweise der Eremiten habe nur noch
wenig mit ihren ursprünglichen Idealen zu tun. Vgl. ebenda und Elm, Beiträge zur Geschichte,
S. 105 und die Ouevres completes de Rutebeuf, ed. Faral / Bastin, Bd. 1, S. 329 und 333.
17 Dazu Elm, Beiträge zur Geschichte, S. 140-141 und etwa Braasch-Schwersmann, Brüder und
Schwestern der Wilhelmiten, S. 270-280 (hier zu Limburg).
18 Siehe den Eintrag zur entsprechenden Straßburger Urkunde in Elm, Einleitung, S. 1106.