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Sonntag, Jörg [Hrsg.]; Verlag Schnell & Steiner [Hrsg.]; Ziegler, Thomas A. [Bearb.]
Die Statuten der Wilhelmiten (1251-1348): Zeugnisse der Verfassung eines europäischen Ordens : Edition und Übersetzung — Klöster als Innovationslabore, Band 5: Regensburg: Schnell + Steiner, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.53725#0030
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26

Einleitung

das im gesamten Orden Gültigkeit erlangen sollte und die differenten Lebens-
weisen, Interessen und Notwendigkeiten von Zentrum und Peripherie annähernd
rechtssicher ausbalancieren konnte.
Die Verfallsgenese des Ordens seit dem 15. Jahrhundert erklärt in hohem Maße
auch die Uberlieferungslage der Handschriften: Die Statuten liegen in Manuskrip-
ten frühestens des 15. und 16. Jahrhunderts vor, welche wie schon angemerkt zur
Gänze der französischen Provinz entstammten. Die Gründe hierfür dürften in
jenem zeitigen Niedergang der italienischen Provinz samt des Mutterhauses in
Malavalle, den frühen Verlusten nicht weniger deutscher Konvente an die Zister-
zienser sowie in den Klosterauflösungen im Zuge der Reformation liegen. Ähn-
lich wie einst bei Kaspar Elm förderte eine Sichtung italienischer und deutscher
Archive keine weiteren Statutenwerke zu Tage.
Trotz der überschaubaren Zahl von acht relevanten Handschriften31, bleibt die
Überlieferungslage komplex: Eine den zisterziensischen Libelli Definitionum ver-
gleichbare Strukturierung der Definitionen (etwa in 15 Distinktionen), die über
Jahrhunderte beibehalten worden wäre, lassen die wilhelmitischen Handschrif-
ten nicht erkennen. Ohnehin scheint es kein festes thematisches Raster gegeben
zu haben, in das auf den Generalkapiteln verabschiedete Änderungen etc. hätten
eingetragen werden können. Dieses Phänomen wird an anderer Stelle erneut dis-
kutiert.32
Bis zum Jahr 1340 schöpfte man mehrheitlich immer neue Statuten, ohne die
früheren Satzungen statutarisch zu widerrufen.33 Nicht selten tauchen einzelne
Bestimmungen zu gleichen Themen ebenso an unterschiedlichen Stellen auf wie
inhaltsgleiche Statuten unter differenter Zählung, so es überhaupt eine solche Zäh-
lung in den Handschriften gibt. Dagegen werden wiederum häufig völlig inhalts-
fremde Paragraphen, z. B. zur Inhaftierung und Rasur, namentlich in den Rechts-
setzungen von 1271 und den Folgejahren bis 1305 in einem Statut zusammenge-
führt.34 Weil nicht wenige der Satzungen zusätzlich keine eigenen, treffsicher aus-
zumachenden Titel besitzen, ergibt sich eine weitere Schwierigkeit für die Hand-
habbarkeit in der Praxis - für den Zeitgenossen und den Editor gleichermaßen.35

31 Siehe die Handschriftenbeschreibungen, unten, S. 61-70.
32 Siehe die Ausführungen, unten, S. 45-48.
33 Eine Ausnahme wäre zumindest der Prolog des Liber Ordinarius, in dem davon die Rede ist,
dass die früheren Statuten nicht ohne Schaden für den Orden hätten umgesetzt werden können.
Einzelne solcher Vorgängerstatuten aber werden auch hier nicht benannt. Siehe unten, S. 31-31.
34 Zu diesem Beispiel siehe das Statut D.3, unten, S. 260. Jeder Konvent soll demnach einen Kerker
besitzen. Zudem wird die Rasur aller zwei Wochen vorgeschrieben.
35 Zu den Modi der Edition siehe unten, S. 70-72.
 
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