Appendix
365
Prolog des Liber Ordinarius
Erfüllt vom Geist aller Heiligen beschrieb der heilige Benedikt, durch den heili-
gen Gregor bezeugt, die Regel als an Urteilskraft hervorragend, in der Rede hell-
leuchtend, die zahlreiche Lehrer aus beiden Geschlechtern und den verschiedenen
Orden gemäß den Unterscheidungen der Gnaden und Werke hat, die der eine
und selbe Geist in den einzelnen Menschen wirkt. Er selbst nämlich führt diese
wegen seines Namens nicht nur über einen Pfad, sondern über Pfade der Gerech-
tigkeit, welche er zu den unterschiedlichen Wohnungen der himmlischen Heimat
hinführt, die im Angesicht Gottes gemeinsam mit einer Gerechtigkeit erscheinen.
Ein jeder aber, auf welchem Pfad er auch immer geht, mag sehen, so fordert
der gesegnete Bernhard auf, dass er nicht wegen der Verschiedenheit der Pfade
von der einen Gerechtigkeit abweiche. Weil nun jeder auf seinem Pfad zu einer
Wohnung gelangt, wird er von dem einen Haus des Vaters nicht ausgeschlossen
sein.178
Was aber andernorts gesagt wird, nämlich dass die Gerechtigkeit des Herrn rich-
tig ist und nicht einzigartig, sondern vielgestaltig die Herzen erfreut, steht vorge-
nannter auctoritas nicht entgegen, weil ja durch die Gerechtigkeit179 des Herrn
das gleiche verstanden wird wie die Pfade der Gerechtigkeit, nämlich die Werke
der Gerechten, die vom Vater des Lichts nach unten herabsteigen, die jenen ein-
zelnen durch Offenbarung des Geistes zum Gebrauch gegeben werden, die der
einzigen Gerechtigkeit Gottes erinnerlich sind.
Und wenn schon in diesem Exil, in dem die Kirche noch wie auf einer Pilger-
schaft ist, eine, wie ich sagen möchte, vielgestaltige Einheit dieser Art und eine
eingestaltige Vielfalt herrscht, ist es da zu verwundern, wenn auch in jenem Vater-
land, wo die Kirche schließlich triumphieren wird, um nichts weniger auf gewisse
Weise eine ungleiche Gleichheit sein wird, wo es viele Wohnungen gibt? So wie
dort nämlich viele Wohnungen in dem einen Haus des Vaters sind, so gibt es hier
in der einen Kirche viele Orden. Und wie es hier unterschiedliche Gnadengaben
gibt, jedoch nur ein und denselben Geist, so sind dort Unterschiede in der Ver-
herrlichung, aber nur ein Haus.
178 Bernardus Claraevallensis, Apologia ad Guilelmum abbatem, IV, 9, S. 162.
179 Die singularische Übersetzung der eigentlich im Plural stehenden iusticie geschieht zugunsten
des deutschen Sprachverständnisses.
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Prolog des Liber Ordinarius
Erfüllt vom Geist aller Heiligen beschrieb der heilige Benedikt, durch den heili-
gen Gregor bezeugt, die Regel als an Urteilskraft hervorragend, in der Rede hell-
leuchtend, die zahlreiche Lehrer aus beiden Geschlechtern und den verschiedenen
Orden gemäß den Unterscheidungen der Gnaden und Werke hat, die der eine
und selbe Geist in den einzelnen Menschen wirkt. Er selbst nämlich führt diese
wegen seines Namens nicht nur über einen Pfad, sondern über Pfade der Gerech-
tigkeit, welche er zu den unterschiedlichen Wohnungen der himmlischen Heimat
hinführt, die im Angesicht Gottes gemeinsam mit einer Gerechtigkeit erscheinen.
Ein jeder aber, auf welchem Pfad er auch immer geht, mag sehen, so fordert
der gesegnete Bernhard auf, dass er nicht wegen der Verschiedenheit der Pfade
von der einen Gerechtigkeit abweiche. Weil nun jeder auf seinem Pfad zu einer
Wohnung gelangt, wird er von dem einen Haus des Vaters nicht ausgeschlossen
sein.178
Was aber andernorts gesagt wird, nämlich dass die Gerechtigkeit des Herrn rich-
tig ist und nicht einzigartig, sondern vielgestaltig die Herzen erfreut, steht vorge-
nannter auctoritas nicht entgegen, weil ja durch die Gerechtigkeit179 des Herrn
das gleiche verstanden wird wie die Pfade der Gerechtigkeit, nämlich die Werke
der Gerechten, die vom Vater des Lichts nach unten herabsteigen, die jenen ein-
zelnen durch Offenbarung des Geistes zum Gebrauch gegeben werden, die der
einzigen Gerechtigkeit Gottes erinnerlich sind.
Und wenn schon in diesem Exil, in dem die Kirche noch wie auf einer Pilger-
schaft ist, eine, wie ich sagen möchte, vielgestaltige Einheit dieser Art und eine
eingestaltige Vielfalt herrscht, ist es da zu verwundern, wenn auch in jenem Vater-
land, wo die Kirche schließlich triumphieren wird, um nichts weniger auf gewisse
Weise eine ungleiche Gleichheit sein wird, wo es viele Wohnungen gibt? So wie
dort nämlich viele Wohnungen in dem einen Haus des Vaters sind, so gibt es hier
in der einen Kirche viele Orden. Und wie es hier unterschiedliche Gnadengaben
gibt, jedoch nur ein und denselben Geist, so sind dort Unterschiede in der Ver-
herrlichung, aber nur ein Haus.
178 Bernardus Claraevallensis, Apologia ad Guilelmum abbatem, IV, 9, S. 162.
179 Die singularische Übersetzung der eigentlich im Plural stehenden iusticie geschieht zugunsten
des deutschen Sprachverständnisses.