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Sonntag, Jörg [Hrsg.]; Verlag Schnell & Steiner [Hrsg.]; Ziegler, Thomas A. [Bearb.]
Die Statuten der Wilhelmiten (1251-1348): Zeugnisse der Verfassung eines europäischen Ordens : Edition und Übersetzung — Klöster als Innovationslabore, Band 5: Regensburg: Schnell + Steiner, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.53725#0373
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Appendix

369

Aus dem bisher Dargelegten geht hervor, dass sich nicht nur verschiedene Or-
den zur selben Regel bekennen, sondern auch verschiedene Konvente ein und des-
selben Ordens und derselben Regel verschiedene Gewohnheiten gebrauchen kön-
nen innerhalb eines unversehrten, gemeinsamen Gelübdes. Dies geschieht zwi-
schenzeitlich durch Sonderregelungen für Ort, Zeit und Personen.
Es ist offenbar, dass, wie die kirchlichen und weltlichen Gesetze gleichsam
durch die Sitten der Anwender bestätigt oder sogar durch die Zustimmung ei-
nes Fürsten in ihr Gegenteil aufgehoben werden, so (betrifft dies) auch gewisse
Klostergesetze, die in höchster Weise auf der Regel und den Konstitutionen jeder
einzelnen Klostergemeinschaft beruhen.
Unser Orden aber, der vom Einsiedlertum des heiligen Wilhelm seinen Namen
bekam und gemäß der Regel des heiligen Benedikt Gehorsam gelobt, befolgt, wie
gesagt, obgleich er nicht beabsichtigt, ein Jota oder einen Punkt von den Dingen,
die das Heil betreffen, zu übergehen, nicht buchstäblich die gesamte Regel, be-
sonders in jenen Fällen, die ohne eine überbordende Vielzahl an Personen und
Reichtümern nicht beachtet werden können.
Daher sind uns unsere Alteren (Ahnen) im Beispiel vorgesetzt, die je heiliger
desto ärmer die Titel und Amtswürden des Abtes, des Vorstehers und des Dekans
aufgrund von Demut und freiwilliger Armut nicht angenommen haben. Ferner
meinten unsere Prioren, die in fast allen anderen Dingen wie Abte agierten, dass
das, was zur Küche des Abtes und zu dessen Dienern gesagt wird, wenig nütze
sei.
Es darf auch niemanden stören, wenn wir in etwaigen anderen Angelegenhei-
ten, welche die Regel selbst dem Urteil der Prälaten anvertraut, nicht so sehr dem
buchstäblichen Wortlaut der Regel folgen wie der bestätigten Gewohnheit unserer
Ahnen, welche die beste Auslegungsinstanz der Vorschriften ist, wie es beispiels-
weise bei der Zeit des Gottesdienstes und der Arbeit, bei der Mahlzeit zur Sext,
Non oder Vesper, bei dem Pfund Brot oder der Hemina Wein geschieht. Jene Vor-
schriften werden (nämlich ohnehin) von fast keinem bewahrt, welcher die gleiche
Regel gelobt hat.
Hieraus resultiert auch, dass wir Kinder nicht in den Orden aufnehmen, dass
wir den Novizen erlauben, mit im Konvent zu schlafen und zu essen, und dass
wir teilweise Felle statt eines Mantels zum Bedecken verwenden.
 
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