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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Hrsg.]; Melville, Gert [Hrsg.]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0068
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64 I Volker Leppin

„Communis enim usus omnium, que sunt in hoc mundo, omnibus hominibus esse
debuit. Sed per iniquitatem alius hoc dixit esse suum, et alius istud et sic inter mor-
tales facta est diuisio.“^
In diesem in das Decretum Gratiani aufgenommenen Briefzitat, in welchem Ps.-
Clemens sich an die Jerusalemer Urgemeinde wandte59 60, fließen die Ebenen von
Urgeschichte, Urgemeinde und gegenwärtiger Situierung des Franziskaneror-
dens zusammen: Es ist, so kann man Ps.-Clemens zusammenfassen, Folge der
iniquitas, mithin des Sündenfalls, dass es zu einer Verteilung der Güter kam61.
Schon Michael von Cesena hatte hieraus gefolgert, dass die Franziskaner letzt-
lich den Status der Ureltern restituierten, bei welchen es noch keine proprietas
und kein dominium gegeben habe, wohl aber den usus simplex facti, wie ihn nun
die Franziskaner, Exiit qui seminat folgend, für sich reklamierten62. Dem wiede-
rum hatte Johannes XXII. entgegengehalten, dass der Herrschaftsauftrag nach
Gen 1,28 dominamim laute, wodurch klar auch em dominium in statu innocen-
tiae begründet sei63.
Ockham bemühte sich nun, einerseits auf dem von Michael mit Pseudo-
Clemens begründeten Rückbezug der franziskanischen Existenz auf den Ur-
stand zu beharren, musste andererseits aber den biblischen Beleg, den Johan-
nes XXII. vorbrachte, entkräften. Dies tat er wiederum auf den Bahnen seiner
scholastischen Ausbildung durch Begriffsunterscheidung: Es gebe einerseits
59 Decretum Gratiani p.2 C. 12 q. 1 c. 2 (Corpus Iuris Canonici, ed. Emil Friedberg. Teil 1,
Leipzig 1879 [= Graz 1955], S. 676); s. die Reaktion von Johannes XXII. hierauf in Bullarium
Franciscanum (wie Anm. 4), Bd. 5, Sp. 417f., in welcher der Papst darauf abhob, divisio facta
est rerum et non usus simplicis factis (ebd. Sp. 418; vgl. Ockham, Opera Politica 2 [wie
Anm. 50], S. 430, 14), also die Begründung des Eigentums hervorhob.
60 Entsprechend stand die im Decretum zitierte Aussage bei Ps.-Isidor auch im Kontext der
Begründung der urgemeindlichen Gütergemeinschaft: [...] erat multitudinis eorum cor unum
et anima una, nec quisquam eorum aut nostrum de bis quae possidebat aliquid suum esse di-
cebat, sed omnia Ulis et nobis erant communia (Ps.-Isidor, Collectio c. 70 [Decretales Pseudo-
Isidorianae, ed. Hinschius (wie Anm. 57), S. 65]).
61 Zur verbreiteten Aufnahme dieses Argumentes auf Basis augustinischer Sündentheologie
unter Franziskanern s. Brunner, Pope John XXII (wie Anm. 42), S. 206.
62 Michael von Cesena, Appellatio. Forma minor (Bullarium Franciscanum [wie Anm. 4], Bd. 5,
Sp.412 Anm.): Sed si primus homo et posteri eins stetissent, habuissent usum rerum usu con-
sumptibilium sine proprietate et dominio aerundam secundum beatum Clementem-, zu den
Hintergründen dieser Auffassung bei Bonagratia di Bergamo s. Dolcini, Crisi di potere
(wie Anm. 24), S. 158.
63 Johannes XXII., Quaa vir reprobus (Bullarium Franciscanum [wie Anm. 4], Bd. 5, Sp. 422);
vgl. hierzu Brunner, John XXII (wie Anm. 42), S. 207f., Johannes XXII. betont in diesem
Zusammenhang sogar, dass Augustinus Textfassungen folge, die das dominamtni zweimal
habe, nämlich auch in der Wendung crescite et multiplicamini et replete terram et subicite eam
anstelle von subicite eam.
 
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