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Burkhardt, Julia; Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Analyse und Anhänge — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.56852#0031
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30

I. Der Autor

gehörte beispielsweise der sogenannte „Mendikantenstreit“, bei dem an der Pariser
Universität Vertreter des Pariser Säkularklerus einerseits und solche der Bettelorden
andererseits um deren Berechtigung zu Studium, Lehre und Predigt stritten.63 Ange-
treten mit dem Anspruch, das Wort Gottes zu studieren und sodann mit der Predigt
aktiv in die Welt zu tragen, hatten Dominikaner wie Franziskaner etablierte Kirchen-
strukturen hinterfragt und somit erheblichen Widerspruch provoziert.64 Das Infrage-
stellen ihrer universitären wie seelsorgerischen Tätigkeit hielt die Ordensvertreter
aber nicht nur dazu an, ihre eigene Stellung in Gelehrtendisputen an der Universität
zu rechtfertigen und legitimatorisch zu untermauern. Auch ordensintern setzten Dis-
kussionen ein, in deren Mittelpunkt Fragen nach der Herkunft und Tradition der Bet-
telorden, nach dem Stellenwert ihrer Leitfiguren Dominikus und Franziskus sowie
nach den inneren Funktionsprinzipien des jeweiligen Ordens standen.65
Eine Zusammenkunft der Pariser Magister, die 1238 unter der Leitung des Pariser
Bischofs Wilhelm von Auvergne (1228-1249) im Pariser Dominikanerkloster statt-
fand und an der Thomas selbst teilnahm, dürfte ebenfalls von diesen Auseinanderset-
zungen geprägt gewesen sein.66 Vor dem Hintergrund solch persönlicher Erfahrun-
gen und Eindrücke ist es nur verständlich, dass das gesamte Bonum universale de
apibus, in dem Thomas u.a. von dieser Pariser Episode berichtet, von Erzählungen
oder kleineren Verweisen auf die gelehrten und polemischen Grundsatzdebatten in
Paris durchzogen ist.67 Dem Leser begegnen Argumente der zeitgenössischen Kritik
an Pfründenhäufung oder klerikalen Missständen ebenso wie Geschichten über be-
rühmte Dominikaner oder Franziskaner. Die Kritik am Weltklerus manifestiert sich
insbesondere in den Anklagepunkten Vernachlässigung der Seelsorge, Pfründen-
häufung und luxuriöse Lebensweise. Ein Kernstück dieser Kritik ist Kapitel BUA
1,19, in dem Thomas von Cantimpre den vorbildhaften Vorsteher unter dem Lemma
Neque enim foras egreditur, nisi agmine migraturo eindringlich zu einer pflicht-
bewussten und bescheidenen Amtsführung aufruft. Mit dieser Darstellung traf er

63 Aus der Fülle der Literatur zum Mendikantenstreit sei verwiesen auf Wieland, Der Mendikanten-
streit; Steckel, Rewriting the Rules; Steckel, Predigen über die Prediger sowie Steckel, Ausle-
gungskrisen. S. auch Senner, Die rheinischen studia, S. 26-31.
64 Zum dominikanischen Predigtwesen s. Holloway, Dominican Preaching sowie Schütz, Gelehrte
Predigt; zu den Neuerungsprozessen des 13. Jahrhunderts s. Skiba, Papsttum, Reform und Predigt
sowie Oberste, Predigt und Gesellschaft.
65 Grundlegend hierzu: Wesjohann, Mendikantische Gründungserzählungen.
66 Thom. Cantimpr. BUA 1,19,5: Volo, ut quicumque hoc legerit, sciat me anno ab incarnatione Do-
mini Mo. CCo. XXXVIIIo. fuisse Parisius, ubi venerabilis Guillermus, Parisiensis episcopus, qui
in theologia iam rexerat, convocationem fecerat in fratrum predicatorum capitulo omnium mag-
istrorum. Zu Wilhelm von Auvergne und seiner Position in den theologischen Auseinandersetzun-
gen seiner Zeit s. Miethke, Papst, Ortsbischof und Universität.
67 Prominent hierbei ist v. a. die Beschreibung der Talmudverbrennung: s. Thom. Cantimpr. BUA
1,3,6 sowie Platelle, LTmage des juifs, S. 289-293.
 
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