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Gerhohus; Becker, Julia [Hrsg.]; Insley, Thomas [Übers.]
Gerhoch von Reichersberg, Opusculum de aedificio Dei: die¬ Apostel als Ideal : Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Einleitung, Verzeichnisse und Edition mit Übersetzung Opusculum de aedificio Dei — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.65331#0049
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2. Opusculum de aedificio Dei

Witwen, die nach dem Vorbild der Tabitha ein apostolisches Leben führen wollen,246
sowie für Nonnen und Kanonissen empfiehlt Gerhoch auch die Lektüre und Einhal-
tung von Augustinus’ Schriften.247 Ebenso wie für die Kleriker an ihren Kirchen
seien die Bischöfe dazu verpflichtet, in den Frauenkonventen die Befolgung der Re-
gel zu kontrollieren und Abweichungen notfalls mit dem Bann zu korrigieren (Kapi-
tel 92-98). Dabei sollen sie von dem Vorsteher des jeweiligen Konvents unterstützt
werden. Diese Aufgabe könne der Bischof natürlich nur wahrnehmen, wenn er selbst
und sein Klerus gemäß der Regel leben und eine Vorbildfunktion ausüben würden
(Kapitel 99).248
Damit leitet Gerhoch über zum Aspekt der Buße, der im Mittelpunkt der Kapitel
100 bis 117 steht: der Zugang zum Bauwerk Gottes ist wiederum in Anlehnung an die
zwölf Tore der himmlischen Stadt Jerusalem im Buch Nehemia auch über das alte Tor
(porta vetus),249 das die Buße verkörpert, möglich.250 Die Kontrolle über die Bußord-
nung und den richtigen Vollzug dieser unterliegt ebenfalls dem Bischof.251 Gerhoch
fordert jedoch eine klare Trennung der Aufgabenbereiche bei der Gerichtsbarkeit, um
die Gefahr der Vermischung der kirchlichen und weltlichen Sphäre zu verringern
(Kapitel 110-111). Geistliche Richter dürften nur Rechtsangelegenheiten verhandeln,
die Kleriker, Mönche, Nonnen, Witwen, Waisen und diejenigen, die Buße getan ha-
ben, betreffen oder sich auf das Seelenheil und das Recht der Kirche beziehen.252 In
weltliche Prozesse wie Streitigkeiten über Gelder und Güter dürfe ein geistlicher
Richter nicht eingreifen, er könne höchstens als Schiedsrichter zwischen beiden Par-
teien friedlich vermitteln.253 Hinsichtlich der Bestrafung durch Exkommunikation
246 Vgl. Gerhoch von Reichersberg, De aedificio Dei, cap. 90, S. 368; Augustinus, De bono viduitatis,
ed. Zycha, CSEL 41, S. 305-343. Vgl. auch Fischer, Vita apostolica, S. 92-93.
247 Vgl. Gerhoch von Reichersberg, De aedificio Dei, cap. 91, S. 368-370; Augustinus, De sancta vir-
ginitate, ed. Zycha, CSEL 41, S. 235-302; Augustinus, De orando deum, ed. Goldbacher, CSEL
44, S. 40-77. Vgl. Fischer, Vita apostolica, S. 96.
248 Tota uero sancta et regularis dispositio tarn inter clericos quam inter sanctimoniales regulariter
procedet, si episcopus primo uerus lacob efficiatur, si ipse circumcisus circumcisos habeatfilios,
hoc est si ipse regularis reguläres habeat clericos. Gerhoch von Reichersberg, De aedificio Dei,
cap. 99, S. 390.
249 Vgl. II Esr 12, 38: ... portam antiquam ...
250 Hine est, quod in reedificatione ciuitatis lerusalem filii Israel constructa gregis porta et piscium
porta consequenter reedificaueruntportam ueterem. Qui enim Stare acperseuerarepotest in porta
gregis et in porta piscium, ueteris porte non querit introitum. Qui autem inde lapsus fuerit per
peccatum, sine dubio foras uel diuino uel humano diuinitus apto iudicio proiectus non poterit in-
trare, nisiperportam ueterem, hoc estper antiquampgnitentialis obseruantip legem. Gerhoch von
Reichersberg, De aedificio Dei, cap. 102, S. 394. Vgl. auch Fischer, Vita apostolica, S. 104-106.
251 Vgl. Classen, Gerhoch, S. 46.
252 Vgl. Gerhoch von Reichersberg, De aedificio Dei, cap. 110, S. 408-410. Vgl. Classen, Gerhoch, S. 44.
253 Attamen inter discordantes ac pro huiusmodi litigantes compositionem pacificam et iustam fa-
ciens, ut non sit necessitas alteri eorum iudicem terrenum pulsare, facit episcopus, quod sui est
ordinis, cui commissum est euangelium pacis. Gerhoch von Reichersberg, De aedificio Dei, cap.
110, S. 410. Vgl. Classen, Gerhoch, S. 44.
 
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