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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0049
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48 I Annick Peters-Custot

orientalisches Monopol. Gewiss erwähnt die Vita Joachims von Fiore echte
Beziehungen zu griechischen Mönchen, zuerst während seiner Reise in den
Osten28 und dann nach seiner Rückkehr während einer eremitischen Phase in
Sizilien, in einer Höhle in der Nähe eines griechischen Klosters.29 Diese Phase,
in der sich Joachim drei Tage lang dem Fasten und dem Gebet auf den Hängen
des Ätna widmete (also eine bemerkenswert kurze Passage), wurde als eine
Nachahmung der Einführung zum monastischen Leben durch die eremitische
Askese interpretiert, von der es tatsächlich viele Beispiele in byzantinischen und
italienisch-griechischen Hagiographien gibt.30 Eine solche Praxis ist jedoch be-
reits im Leben des heiligen Benedikt vorhanden, gehört zu einem gemeinsamen
Erbe der monastischen Spiritualität und ist seit der Spätantike Teil beider Tradi-
tionen - der westlichen und der östlichen. Es lässt sich nicht mehr feststellen, ob
diese Erzählung (ob sie nun wirklich passiert ist oder nicht), als eine übliche
Praxis im christlichen Mönchtum oder als ein typisch italienisch-griechisches
Erbe oder etwa als die Rechtfertigung der Reform durch „orientalische" Regeln
betrachtet werden muss.
Joachim von Fiore als monastischer Reformator
Eine der Besonderheiten von Joachim ist sein Verhältnis zur Zeit. Die Rückkehr
zur Vergangenheit ist in seinem Fall durch einen Zukunftsansatz erfordert: Die
Reform ist prophetisch. Joachim reformiert, damit das Mönchtum wieder zu
dem wird, was es in seinen Anfängen war, das heißt, was es am Ende der Zeiten
sein muss. Die Prophezeiung macht die Reform notwendig und die Reform ist
zugleich eine Einführung der Prophezeiung in der Geschichte, die eine zirku-
läre Zeit darstellt: der Moment, in dem die Reform durch die Rückkehr zu den
Quellen vollendet wird, ist auch der Moment der Abschaffung der Zeit durch
die Wiederkunft des apokalyptischen Christi. So ist die Ekklesiologie von
Joachim von Fiore sowohl Vergangenheit als auch Prophetie. In diesem Sinn ist

28 Ich beziehe mich hier auf die Reise, die Joachim ins Heilige Land und nach Syrien unternom-
men haben soll, wie seine Vita, die von einem anonymen Autor verfasst wurde, berichtet (wie
auch von seinem Freund Luca von Casamari in dessen Memorie belegt ist): Luca di Cosenza,
Memorie, in: Herbert Grundmann, Gioacchino da Fiore. Vita e opere, hg. von Gian Luca
Potestä, Rom 1997, S. 191-197 und Vita b. Joachimi abbatis, in: Ders., S. 183-190, hier
S. 188. Eine weitere Edition ist hier zu finden: Salvatore Oliverio, Vita beati Joachimi
Abbatis, in: Florensia 16-17 (2002-2003), S. 217-240.

29 Grundman, Gioacchino da Fiore (wie Anm. 31), S. 137.

30 Filippo Burgarella, Gioacchino da Fiore e il monachesimo Greco, in: Archivio Storico per
la Calabria e la Lucania 79 (2013), S. 107-121, hier S. 115-117.
 
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