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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0050
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Das byzantinische Süditalien 1 49

sie mit der Frage der kirchlichen Einheit verbunden, als eine Vermählung und
mystische Hochzeit der Kirchen, die die Wiederkunft Christi ankündigt. Die
erste Stufe der apokalyptischen Bekehrung ist logischerweise die Verminderung
der Spaltung zwischen der östlichen und der westlichen Kirche.31
Diese prophetische Perspektive der Reform kennzeichnet eine spezifische
Methode, die Joachim eigen ist: Joachim geht ständig von der biblischen Vergan-
genheit aus, um die eschatologische Zukunft anzukündigen. Die Heiligen
Schriften drücken gleichzeitig aus, was geschehen ist und was geschehen wird,
dank der analogen Denkweise, in der die Fakten und Institutionen von Indivi-
duen verkörpert werden. Die Hochzeit von Tobias und Sarah ist mehr als ein
Ereignis in der Geschichte, es ist die geplante Hochzeit der griechischen Kirche
und der lateinischen.32
Im Tractatus super quattuor Evangeliae wird die griechische Kirche von
Johannes dem Täufer, die lateinische Kirche von Petrus verkörpert.33 Die erste
ist das Zeugnis der Stille und der mystischen Verbindung mit Gott, die zweite
bildet Glaubenslehre und Predigt ab. Die erste ist von Natur aus kontemplativ,
die zweite ist von Natur aus aktiv. Die griechische Kirche hat jedoch ihre Natur
verraten und lehrt nicht mehr das Wort des Geistes, sie hat ihre Mission schon
seit Origenes verraten34 und daher ist das geistliche Feuer schon seit Konstantins
Herrschaft von den Griechen an die Lateiner übergegangen.35 In der neuen Zeit
wird das griechische Volk zur Kirche von Rom zurückkehren. Joachim hat
letztlich kein anderes Paradigma als das der vergangenen patristischen und
schriftlichen Tradition.
Nach einer hierarchischen Sichtweise der Kategorien von Mönchen verpflich-
tet er sich, die Erneuerung des Zisterzienserklosters, die sein Ziel ist, auf den
Weg zu bringen. Das geht besonders aus einer grundlegenden Abhandlung zum
Verständnis Joachims als Reformator des Mönchtums hervor, nämlich aus dem

31 Daniel Emmett Randolph, Apocalytic conversion. The Joachimite alternative to the
Crusades, in: Traditio 25 (1969), S. 127-154.

32 Edith Päsztor, Ideale del monachesimo ed eta dello spirito come realtä spirituale e forma
d'utopia, in: L'Eta dello Spirito e la fine dei tempi in Gioacchino da Fiore e nel gioachimismo
medievale. Atti del 2° congresso internazionale di Studi gioachimiti. San Giovanni in Fiore-
Luzzi-Celico, 6-9 settembre 1984, hg. von Antonio Crocco, San Giovanni in Fiore 1986,
S. 55-124.

33 Gioacchino da Fiore, Trattati sui quattro Vangeli, hg. von Letizia Pellegrini (Centro in-
ternazionale di Studi Gioachimiti, Opere di Gioacchino da Fiore. Testi e strumenti 11), Rom
1999. Ich beziehe mich hier auf einige Stellen aus der Einführung von Claudio Leonardi,
S. VII-XV.

34 Ebd. I,6 S. 60.

35 Ebd. I, 7 S. 106f. und I, 9 S. 151.
 
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