Innovationen
und kreative Impulse
Schlussbemerkungen
Mirko Breitenstein und Jörg Sonntag
Die Erwartung, dass Klöster Innovations- und Transferleistungen für die Welt
erbringen, erscheint zunächst als eher unwahrscheinliche Option. Vita religiosa
nämlich ist ihrem Wesen nach gerade nicht auf immanente Innovationen orien-
tiert. Mönche und Nonnen sollten vielmehr zurückgezogen leben und schwei-
gen, weil sie der Welt gestorben waren. Einzig für Gott würden sie leben, heißt
es im Decretum Gratiani.1
Allein, die Geschichte der Klöster und Orden legt in ihrer Fülle und Vielfalt
immer wieder Zeugnis davon ab, dass der Weg in die Transzendenz zuweilen
bereits in der Immanenz des irdischen Daseins ins Stocken geraten konnte.
Ebenso konnte aber auch diese Welt ganz gezielt als Schlüssel zur Transzendenz
verstanden und sich ihrer in kreativer Weise bedient werden. Wer der Welt ent-
fliehen wollte, der musste wissen, wovor er floh, der musste die Welt kennen und
sie bestimmen. Mit dieser Definitionsleistung aber verband sich Weltgestaltung
und zugleich die Entwicklung immer wieder neuer und durchaus innovativer
Ordnungsmodelle und Lebensentwürfe.
Die Beiträge des vorliegenden Bandes belegen eindrucksvoll die Möglichkei-
ten und Varianzen in der Verwendung und Diskussion des Begriffes Innova-
tion' und seiner Randphänomene. So analysieren die Autorinnen und Autoren
nicht nur die ersten aeronautischen Versuche englischer Benediktiner, zisterzi-
ensische Kanalsysteme, innovative Rechtskörperschaften der Beginen oder neue
architektonische Bildsprachen, sondern auch die impulshaften cölestinischen
Einflussnahmen auf den französischen König oder die kreativen Einbindungs-
modelle charismatischer Heiliger in institutionelle Strukturen.
Tatsächlich wurde sehr viel ,Neues' in den Klöstern entwickelt und so wur-
den immer wieder Impulse gegeben, deren Nachhaltigkeit bisweilen noch heute
1 Decretum Gratiani, II, causa XVI, q. I, cap. 8, in: Corpus iuris canonici, Bd. 1, hg. von Emil
Friedberg, Graz 1959, Sp. 763.
und kreative Impulse
Schlussbemerkungen
Mirko Breitenstein und Jörg Sonntag
Die Erwartung, dass Klöster Innovations- und Transferleistungen für die Welt
erbringen, erscheint zunächst als eher unwahrscheinliche Option. Vita religiosa
nämlich ist ihrem Wesen nach gerade nicht auf immanente Innovationen orien-
tiert. Mönche und Nonnen sollten vielmehr zurückgezogen leben und schwei-
gen, weil sie der Welt gestorben waren. Einzig für Gott würden sie leben, heißt
es im Decretum Gratiani.1
Allein, die Geschichte der Klöster und Orden legt in ihrer Fülle und Vielfalt
immer wieder Zeugnis davon ab, dass der Weg in die Transzendenz zuweilen
bereits in der Immanenz des irdischen Daseins ins Stocken geraten konnte.
Ebenso konnte aber auch diese Welt ganz gezielt als Schlüssel zur Transzendenz
verstanden und sich ihrer in kreativer Weise bedient werden. Wer der Welt ent-
fliehen wollte, der musste wissen, wovor er floh, der musste die Welt kennen und
sie bestimmen. Mit dieser Definitionsleistung aber verband sich Weltgestaltung
und zugleich die Entwicklung immer wieder neuer und durchaus innovativer
Ordnungsmodelle und Lebensentwürfe.
Die Beiträge des vorliegenden Bandes belegen eindrucksvoll die Möglichkei-
ten und Varianzen in der Verwendung und Diskussion des Begriffes Innova-
tion' und seiner Randphänomene. So analysieren die Autorinnen und Autoren
nicht nur die ersten aeronautischen Versuche englischer Benediktiner, zisterzi-
ensische Kanalsysteme, innovative Rechtskörperschaften der Beginen oder neue
architektonische Bildsprachen, sondern auch die impulshaften cölestinischen
Einflussnahmen auf den französischen König oder die kreativen Einbindungs-
modelle charismatischer Heiliger in institutionelle Strukturen.
Tatsächlich wurde sehr viel ,Neues' in den Klöstern entwickelt und so wur-
den immer wieder Impulse gegeben, deren Nachhaltigkeit bisweilen noch heute
1 Decretum Gratiani, II, causa XVI, q. I, cap. 8, in: Corpus iuris canonici, Bd. 1, hg. von Emil
Friedberg, Graz 1959, Sp. 763.