Metadaten

Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0437
Lizenz: In Copyright

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
436 I Mirko Breitenstein und Jörg Sonntag

zu greifen ist.2 Vor diesem Hintergrund scheint es sinnvoll, eine Unterscheidung
zwischen dem ,Neuen im Allgemeinen und dem ,Innovativen' im Besonderen
zu treffen. Während das Neue gewöhnlich „im Rahmen von Bekanntem und
Vertrautem schlicht zu Verbesserungen" führt „und dabei die Grenzen von Wis-
sensinhalten, Fertigkeiten, von Handlungstechniken oder Interpretationsver-
mögen' ausdehnt, überschreitet das Innovative diese Grenzen. Es führt in Be-
reiche des unbekannt Erstmaligen, in denen „Erfahrungen zur Handhabung des
innovativ Gewonnenen" - häufig in einem „Zustand von zunächst hoher Unbe-
rechenbarkeit" - erst gesammelt werden müssen.3
Eine solche Innovation als angestrebtes oder zufälliges Resultat von Kreativi-
tät konnte und kann in jedem Lebensbereich begegnen. Peter Strohschneider
sprach hierauf bezogen unlängst von der Differenz zwischen einem „alten
Neuen" und einem „neuen Neuen". Nur dieses „neue Neue" ist tatsächlich in-
novativ.4 Innovationen geschahen in der Alltagspraxis bewussten wie unbe-
wussten Experimentierens zur Optimierung des Lebens in all seinen Bereichen.
Die Verwendung des Innovationsbegriffs scheint zudem vor allem dann sinn-
voll zu sein, wenn neben der Kreativität einer Erfindung, einer Idee oder einer
Maßnahme auch eine Relevanz für aktuelle Bedürfnisse und nicht zuletzt Ak-
zeptanz besteht. Es bleibt dabei irrelevant, ob „Innovationen gleichsam in einem
einzigen genialen Augenblick entstanden sind oder ob es einer ganzen Phase
(mit durchaus wechselndem Personal) bedurfte, bis sich das Neue so präsen-
tierte, dass es als Innovation erkannt werden konnte"5 oder aber - und diese
Unterscheidung ist wichtig - beschrieben werden kann.
In jedem Fall sollten wir uns davor hüten, die Objektebene der klösterlichen
Akteure mit der Beobachterebene des Analytikers stets gleichzusetzen, sondern
uns dieser Differenz bewusst sein: Was wir für Innovationen halten und auch in
diesem Rahmen diskutierten, muss diesen Charakter für Zeitgenossen nicht be-
sessen haben. Andererseits mag manches, was den Religiösen innovativ, viel-
leicht sogar unerhört schien, für uns unerheblich sein, weil es nicht ins Schema
unseres Fragens fällt, oder schlicht kein Bedarf mehr an der einstmals innovati-
ven Lösung besteht.
Selbst jene Akzeptanz als Grundparadigma der Wirkmacht von Innovation
konnte innerhalb von Klöstern ebenso wie außerhalb durchaus launenhaft sein,

2 Gert Melville, Innovation im Diskurs. Ein Vorwort, in: Denkströme. Journal der Sächsi-
schen Akademie der Wissenschaften 17 (2017), S. 11.

3 Melville, Innovation im Diskurs (wie Anm. 2), S. 14.

4 Peter Strohschneider, Das neue Neue. Über einige Paradoxien der Wissenschaftsorgani-
sierung, in: Ebd., S. 19-32.

5 Melville, Innovation im Diskurs (wie Anm. 2), S. 14.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften