Königseinflüsterer oder
Regierungsberater?
Innovative Impulse von Ratgebern am französischen
Königshof unter Karl V. und Karl VI.
Vanina Kopp
Im Jahre 1389 ist der König von Frankreich, Karl VI., einundzwanzig Jahre alt
und hat die Regierungsgeschäfte gerade erst vor einem Jahr persönlich über-
nommen.1 Aus dem Cölestinerkloster in Paris, unweit der Königsresidenz Saint-
Pol gelegen,2 meldet sich Philippe de Mezieres mit einem Ratgeber, dem Songe
du Vieil Pelerin, der in allen Bereichen des politischen Handelns dem jungen
Königs helfen soll. Aufbauend auf dem Bild eines Schachspiels präsentiert die
Figur des alten Pilgers (in dem man wohl den Autor selbst sehen kann) mithilfe
der Allegorie Dame Wahrheit (Royne Verite) dem jungen König die sechzig
Spielfelder als je eine individuelle politische Lektion:4 von der royalen Lebens-
hygiene, seinem Tagesablauf, dem Umgang mit den Höflingen, der Bildung oder
seiner Großzügigkeit. Im zweiten Viertel des Schachbrettes geht es um seine
Aufgaben als König und als Beschützer der Christenheit. Der König solle sich
1 Zur Person und Regierung Karls VI. von Valois im Kontext des Hundertjährigen Krieges
siehe Frangoise Autrand, Charles VI. La folie du roi, Paris 1986; Aude Mairey, La guerre
de Cent ans, Saint-Denis 2017; Guerre et societe 1270-1480, hg. von Valerie Toureille/
Florence BERLAND/Germain BuTAUD/Sara Fourcade, Neuilly 2013; Anne Curry, The
Hundred Years' War 1337-1457, Oxford 2002; Joachim Ehlers, Der Hundertjährige Krieg,
München 22012; Bertrand Schnerb, Armagnacs et Bourguignons. La maudite guerre 1407-
1435, Paris 2009; Richard Famiglietti, Royal intrigue: crisis at the court of Charles VI,
1392-1420, New York 1986.
2 Zu den Cölestinern in Paris allgemein siehe Robert Shaw, The Celestine monks of France
c.1350-1450. Observant reform in an age of schism, council and war, Amsterdam 2018; Karl
Borchardt, Die Cölestiner: eine Mönchsgemeinschaft des späteren Mittelalters, Husum
2006.
3 Für die zwei modernen Ausgaben und Übersetzungen, siehe Philippe de Mezieres, Le songe
du vieil pelerin, hg. von George W. Coopland, Cambridge 1969; Philippe de Mezieres, Son-
ge du Viel Pelerin, hg. von Joel Blanchard, Genf 2015.
4 In der Edition von Coopland (wie Anm. 3), Bd. 2, S. 204-440; in der Edition von Blanchard
(wie Anm. 3), Bd. 2, S. 879-920.
Regierungsberater?
Innovative Impulse von Ratgebern am französischen
Königshof unter Karl V. und Karl VI.
Vanina Kopp
Im Jahre 1389 ist der König von Frankreich, Karl VI., einundzwanzig Jahre alt
und hat die Regierungsgeschäfte gerade erst vor einem Jahr persönlich über-
nommen.1 Aus dem Cölestinerkloster in Paris, unweit der Königsresidenz Saint-
Pol gelegen,2 meldet sich Philippe de Mezieres mit einem Ratgeber, dem Songe
du Vieil Pelerin, der in allen Bereichen des politischen Handelns dem jungen
Königs helfen soll. Aufbauend auf dem Bild eines Schachspiels präsentiert die
Figur des alten Pilgers (in dem man wohl den Autor selbst sehen kann) mithilfe
der Allegorie Dame Wahrheit (Royne Verite) dem jungen König die sechzig
Spielfelder als je eine individuelle politische Lektion:4 von der royalen Lebens-
hygiene, seinem Tagesablauf, dem Umgang mit den Höflingen, der Bildung oder
seiner Großzügigkeit. Im zweiten Viertel des Schachbrettes geht es um seine
Aufgaben als König und als Beschützer der Christenheit. Der König solle sich
1 Zur Person und Regierung Karls VI. von Valois im Kontext des Hundertjährigen Krieges
siehe Frangoise Autrand, Charles VI. La folie du roi, Paris 1986; Aude Mairey, La guerre
de Cent ans, Saint-Denis 2017; Guerre et societe 1270-1480, hg. von Valerie Toureille/
Florence BERLAND/Germain BuTAUD/Sara Fourcade, Neuilly 2013; Anne Curry, The
Hundred Years' War 1337-1457, Oxford 2002; Joachim Ehlers, Der Hundertjährige Krieg,
München 22012; Bertrand Schnerb, Armagnacs et Bourguignons. La maudite guerre 1407-
1435, Paris 2009; Richard Famiglietti, Royal intrigue: crisis at the court of Charles VI,
1392-1420, New York 1986.
2 Zu den Cölestinern in Paris allgemein siehe Robert Shaw, The Celestine monks of France
c.1350-1450. Observant reform in an age of schism, council and war, Amsterdam 2018; Karl
Borchardt, Die Cölestiner: eine Mönchsgemeinschaft des späteren Mittelalters, Husum
2006.
3 Für die zwei modernen Ausgaben und Übersetzungen, siehe Philippe de Mezieres, Le songe
du vieil pelerin, hg. von George W. Coopland, Cambridge 1969; Philippe de Mezieres, Son-
ge du Viel Pelerin, hg. von Joel Blanchard, Genf 2015.
4 In der Edition von Coopland (wie Anm. 3), Bd. 2, S. 204-440; in der Edition von Blanchard
(wie Anm. 3), Bd. 2, S. 879-920.