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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0377
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376 I Vanina Kopp

auch um die gerechte Justiz kümmern, um den Umgang mit Juden, Frieden zwi-
schen den Christen, zwischen Staat und Kirche und er erhält einen Vorschlag
zur Lösung des Großen Abendländischen Schismas. Im dritten Viertel geht es
fast ausschließlich um das Verhältnis zwischen dem König und seinen Untertan-
ten: hier wird dem König empfohlen, die Justiz zu reformieren, dabei die Ver-
antwortlichen sorgfältig auszuwählen und selber gerecht zu sein. Thematisiert
wird auch die Verwaltung seiner Ländereien und der Umgang mit Schulden und
Steuern, Fiskal- und Justizreformen für seine Bevölkerung, hin bis zum Krieg
mit England und die Logistik für einen neuen Kreuzzug. Im vierten Viertel geht
es schließlich um das Allgemeinwesen und das Königtum an sich, um Wäh-
rungsstabilität, Frieden mit England, die Rechte und Pflichten der Untertanen,
die Armee, die Baupolitik, den Umgang mit öffentlichen Geldern, den Schutz
von internationalem Handel, und einen Aufruf zum Weltfrieden verbunden mit
einer erneuten Kreuzzugs-Apologie.
Der Sinn dieses Schach-Fürstenspiegels, so insistiert der Autor an mehreren
Stellen, sei das Wohl seiner Regierung, seiner Person als guter Herrscher. Das
bekannte Topos der chose publique, des Gemeinwesens, und des bien common,6
des Gemeinwohls, zieht sich durch das ganze Werk. Durch die auftretenden
allegorischen Figuren hindurch stilisiert sich der alte welterfahrene Philippe de
Mezieres als idealen Ratgeber für den jungen König in schwierigen politischen
Zeiten. Er, der ehemalige Kanzler des Königs von Zypern, Mystiker, Gründer
eines Ritterordens zur Rückeroberung des Heiligen Landes und Weltenbumm-
ler, bezeichnet sich selber als „excellent docteur de l'ordre des Celestins",7 ver-
bindet also Religiosentum und gelehrte Autorität. Aus Nordfrankreich stam-
mend, im Dienste unterschiedlicher Herren und nach Stationen in Jerusalem,
Alexandria, Zypern, Venedig, Avignon, zog sich der Ritter, Kanzler und Diplo-

5 Siehe dazu Gisela Naegle, Armes ä double tranchant? Bien commun et chose publique dans
les villes frangaises au Moyen Age, in: De bono communi: the Discourse and Practice of the
Common Good in the European City (13th—16th c.). Discours et pratique du bien commun
dans les villes d'Europe (XIIIe au XVIe siecle), hg. von Elodie LECUPPRE-DESJARDIN/Anne-
Laure Van Bruaene (Studies in European urban history 1100-1800), Turnhout 2010, S. 55-
70; Le Prince, son peuple et le bien commun, hg. von Herve OuDART/Jean-Michel Picard/
Joelle Quaghebeur, Rennes 2013.

6 Siehe dazu Benedicte Sere, Aristote et le bien commun au Moyen Age: une histoire, une
historiographie, in: Revue frangaise d'histoire des idees politiques 32 (2010), S. 277-291; De
bono communi (wie Anm. 5); Pouvoir d'un seul et bien commun. La pensee et 1'exercice du
bonum commune dans les monarchies medievales (colloque international Paris Quest Nan-
terre, 19 decembre 2008), hg. von Franck Collard, in: Revue frangaise d'histoire des idees
politiques 32 (2010), S. 227-413.

7 Coopland, Songe du Vieil Pelerin (wie Anm. 3), S. 105.
 
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