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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0435
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434 I Eva Schlotheuber

Weisheit und Wissen in ihrer anfangs erörterten Differenz. Das ganze Tableau
aller Schriften und Literatur und zwar einschließlich der Antike sollte also den
Mönchen zur Verfügung stehen und von ihnen zur Erklärung und Verständnis
der materiellen Welt und irdischer Verhältnisse herangezogen werden. Eben weil
sie, die Religiösen, den direkten Zugang zu Wissenschaft und göttlicher Weis-
heit haben, weil sie, so wie er es ausdrückt, „am Tisch des Herrn sitzen", sind sie
verpflichtet, breit aus allem zu schöpfen, um ,Gott und die Welt' und den Lauf
der Zeit zu erklären und zu deuten.
Mit dieser Verantwortung der Religiösen für die mittelalterliche Gesellschaft
begründet Peter von Zittau die Abfassung seiner Zeitgeschichte Böhmens, also
sein großes Unternehmen, die jüngste Vergangenheit des Königsreichs in Prosa
und Versform literarisch zu reflektieren, politisch zu deuten und sich dabei ganz
erheblich einzumischen. Er sah definitiv seine Aufgabe darin, der gespaltenen
Gesellschaft Böhmens in der höchst schwierigen Situation, in der man sich be-
fand, mit Rat und Tat beizustehen.63 Beide Wege hat Peter von Zittau in der
schwierigen politischen Situation energisch ergriffen: Er gab politischen Rat, in
Form einer Analyse der jüngeren politischen Geschichte, und schritt konkret
zur Tat, als er zusammen mit anderen Ziterzienseräbten und Vertretern der böh-
mischen Stände dem frisch gewählten römisch-deutschen König Heinrich VII.
(reg. 1308-1313) mit der Erbtochter Elisabeth (1292-1330) das Königreich Böh-
men anbot.64 Das war vielleicht keine Innovation im klassischen Sinne, aber im
Sinne der Ausgangsfrage, ein lang nachhallender Eingriff in die Geschicke der
Laiengesellschaft, der die weitere religiöse, politische und wirtschaftliche Ent-
wicklung Böhmens und des Reichs entscheidend geprägt hat.

63 Eva Schlotheuber, Die „größtmögliche Veränderung" (maxima mutacio) des Königreichs
Böhmen. Peter von Zittau und die politische Wende Johanns von Luxemburg, in: Ecclesia
docta. Spolecenstvf ducha a umenf. K zivotnimu jubileu profesora Jirfho Kuthana, hg. von
Magdalena Nespesna HAMZfKOVÄ/Jana PEROUTKOVÄ/Stefan Scholtz (Opera Facultatis
theologiae catholics Universitatis Carolinas Pragensis Historia et historia artium XXIII),
Prag 2016, S. 105-129.

64 Michel Margue, Die Erbtochter, der fremde Fürst und die Stände. „Internationale" Heira-
ten als Mittel der Machtpolitik im Spannungsfeld zwischen Hausmacht und Land, in: Die
Erbtochter, der fremde Fürst und das Land. Die Ehe Johanns des Blinden und Elisabeths von
Böhmen in vergleichender europäischer Perspektive, hg. von Michel Pauly (CLUDEM
2013), S. 27-46.
 
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