Metadaten

Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0059
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
58 I Knut Görich

gegen die Glaubwürdigkeit dieser Nachricht vorgebracht.19 Aber weist die er-
wähnte Dreijahresfrist nicht auch darauf hin, dass sich Otto III. der mit seinem
Vorsatz verbundenen Schwierigkeiten durchaus bewusst war? Weil der Kaiser
bereits im Januar 1002 starb, ist eine Antwort auf diese Frage natürlich unmög-
lich, und es bleibt der Spekulation überlassen, auf welche Weise er den Sprengsatz
hätte entschärfen wollen oder können, den sein Amtsverzicht für die Stabilität
der politischen Ordnung bereithielt. Gleichwohl ist es unbefriedigend, Ottos
Versprechen gegenüber Romuald im Banne ,realpolitischer' Abwägungen gleich-
sam wegzuerzählen - gerade so, als ob sein zufällig früher Tod auch das Urteil
über die Chance der Realisierbarkeit seiner Absicht gesprochen habe. Stellt man
ihn jedoch in eine Reihe mit den zahlreichen tatsächlich erfolgten - und für deren
politisch-soziales Umfeld durchaus problematischen und konfliktträchtigen -
Konversionen von Adligen,20 erscheint lediglich Ottos kaiserlicher Rang als au-
ßergewöhnlich, nicht aber sein Vorsatz als solcher. Von vornherein in Abrede zu
stellen, es könnte für den Kaiser eine biographische Situation gegeben haben, in
der es für ihn eine Sünde gewesen wäre, sich nicht von der Welt ab- und Gott
zuzuwenden, ist deshalb eine banalisierende Verengung vergangener menschli-
cher Möglichkeiten, eine Verlegenheitslösung im Umgang mit der Überlieferung.
Otto III. wäre nicht der einzige Mensch seiner Epoche, der um seines Seelenheils
willen sein irdisches Dasein auf besonders konsequente Weise hätte bewältigen
wollen, indem er der Welt entsagt und sich einer mönchischen Gemeinschaft un-
terordnet. Mit den Worten tota anima nudus sequar Christum legt Brun von
Querfurt dem Kaiser sogar eine Variation des bekannten Wortes des heiligen
Hieronymus in den Mund,21 mit dem seit der Reformzeit des 11. Jahrhunderts

19 RI 11,3 n. 1404b (wie Anm. 15); Uhlirz, Jahrbücher (wie Anm. 11), S. 369 Anm. 80; Ekkehard
Eickhoff, Otto III. in Pereum. Konzept und Verwirklichung seiner Missionspolitik, in:
Archiv für Kulturgeschichte 83 (2001), S. 25-35, hier S. 30; Gerd Althoff, Otto III., Darm-
stadt 1996, S. 182f.; Houbert Houben, Impero e monasteri: aspetti politici e motivazioni spiri-
tuali. Un confronto tra Ottone III ed Enrico II, in: Ottone III (wie Anm. 1), S. 31-43, hier S. 37;
Tomea, La colpa (wie Anm. 13), S. 194 Anm. 48; Fornaciari, Romualdo (wie Anm. 10), S. 240
Anm. 7. - Walerian Meysztowicz, La vocation monastique d'Otton III, in: Antemurale 4
(1958), S. 27-69 glaubt S. 47, die Gesandtschaft sei ohne Wunsch oder Wissen Ottos III. auf die
Reise geschickt worden. Zu Recht kritisch gegenüber solchen Argumentationen der pragmati-
sche Hinweis von Michalowski, Gniezno Summit (wie Anm. 14), S. 293, dass Ottos Verspre-
chen zeitlich eben auch erst nach Aufbruch der Gesandtschaft erfolgt sein könnte.

20 Dazu Frank Rexroth, Der Graf und sein Doppelgänger. Entscheidungsprozesse, Gruppen-
bildung und ihre sozialen Konsequenzen seit ca. 1070, in: Entscheidungsfindung in spätmit-
telalterlichen Gemeinschaften, hg. von Wolfgang Eric Wagner [im Druck]; ich danke Frank
Rexroth herzlich für die Überlassung seines Manuskripts. Zahlreiche Hinweise auf Adels-
konversionen bei Birkmeyer, Ehetrennung (wie Anm. 7).

21 Brun von Querfurt, Vita quinque fratrum (wie Anm. 2), cap. 2, S. 34 mit Anm. 51; Voigt,
Brun (wie Anm. 2), S. 384.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften