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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0175
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174 I Oliver Auge

Wirtschaftswissenschaftler Alfred Kieser bei. Auch wenn er einen sicher zu ide-
altypischen Weg „von asketischen zu industriellen Bravourstücken", so der Titel
seines Aufsatzes, im Kontext der Klosterökonomie aufzeigt, sind seine Gedan-
ken durchaus anregend und bedenkenswert.17 Nicht zu vergessen ist, nebenbei
bemerkt, der kunst- und architekturhistorische Zugang zur Innovationsge-
schichte der mittelalterlichen Klöster.18
Die wirtschafts- und technikaffinen Beiträge wie auch allgemein gehaltene
Veröffentlichungen zum Klosterwesen sprechen von „technische[n] Meisterleis-
tungen",19 charakterisieren Klöster als „Innovationszentr[en]",2° betiteln die
mittelalterlichen Mönche als „Pioniere" der Technik21 und halten fest, dass es
„[o]hne Mönche [...] keine Stechuhr" gäbe,22 um nur einige hervorstechende Bei-
spiele anzuführen. In der Tendenz sind diese griffigen Schlagworte sicher nicht
grundsätzlich verkehrt, wie noch zu zeigen sein wird. Gleichwohl scheint immer
auch Vorsicht bei der Zuschreibung innovatorischer Leistungen - und damit
letztlich beim Gebrauch so einprägsamer Epitheta - angebracht, wie Hägermann
am Beispiel der Interpretation des berühmten St. Galler Klosterplans durch Wal-
ter Horn und Ernest Born nachweisen kann.23 Ihre etwa von Kieser rezipierte24
Deutung der im Plan angezeigten molae und pilae als wasserbetriebene Mühlen
und mechanische Stampfen - beide Belege würden „das Modellkloster des Plans
in den Rang eines technologischen Innovationszentrums" erheben25 - verweist
Hägermann mit guten Gründen ins Reich der Phantasie. Ihm zufolge sind auf
dem Plan statt des Erstbelegs einer Wassermühle und der hier sonst ebenfalls
singulär bezeugten mechanischen Stampfe Handmühlen und Maischbottiche zu
17 Alfred Kieser, Von asketischen zu industriellen Bravourstücken. Die Organisation der
Wirtschaft im Kloster des Mittelalters, in: Mannheimer Berichte 30 (1986), S. 3-15.
18 Dirk Schumann, Innovation und Tradition. Aspekte des Dekors in der klösterlichen Back-
steinarchitektur Nordostdeutschlands um 1300, in: Gebaute Klausur. Funktion und Archi-
tektur mittelalterlicher Klosterräume, hg. von Renate Oldermann (Veröffentlichungen des
Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen 52), Bielefeld 2008,
S. 147-168.
19 Gudrun Gleba, Klöster und Orden im Mittelalter (Geschichte kompakt Mittelalter), Darm-
stadt 2002, S. 82.
20 Hägermann, Das Kloster (wie Anm. 15).
21 Tremp, Mönche (wie Anm. 16).
22 Hermann Josef Roth, Die Wirtschaftsgeschichte der Mönche, in: Die Cistercienser. Ge-
schichte, Geist, Kunst, hg. von Ambrosius Schneider, Köln 1977, S. 528-557, hier S. 555.
23 Walter Horn, Water Power and the Plan of St. Gall, in: Journal of Medieval History 1,3 (1979),
S. 219-257; Ders./Ernest Born, The Plan of St. Gall: A Study of the Architecture & Economy
of, and Life in a Paradigmatic Carolingian Monastery, 3 Bde., Berkeley/Los Angeles 1979.
24 Kieser, Von asketischen zu industriellen Bravourstücken (wie Anm. 17), S. 7f.
25 Dieses sowie auch das folgende Zitat stammen aus Dieter Hägermann, Der St. Galler Klos-
terplan - ein Dokument technologischer Innovationen des Frühmittelalters?, in: Rheinische
Vierteljahrsblätter 54 (1990), S. 1-18, hier S. 4f. u. 18.
 
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