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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0384
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Königseinflüsterer oder Regierungsberater? I 383

waren die Summen, die das städtische Kloster von den Valois erhielt, weitaus
höher als jene für die anderen unterstützten Religionsgemeinschaften. Es gab
auch andere, persönliche Netzwerke zum reichen Bürgertum und der Universi-
tät: so traf sich die Bruderschaft der königlichen Notare innerhalb des Klosters.
Zahlreiche Ehefrauen oder Kinder der Königsfamilie fanden ihre Grabesstätte in
der Kirche wenn sie nicht in der offiziellen Grablege von Saint Denis ihre Ruhe-
statt fanden. So beispielsweise Jeanne de Bourbon, Ehefrau Karls V.; auch die
Eingeweide Karls V. wurden bei den Cölestinern beigesetzt (wohingegen seine
Gebeine traditionsgemäß nach Saint Denis kamen). Nicht nur königsnahes Ver-
waltungspersonal, auch Mitglieder der orleanistischen Königsfamilie ließen sich
in der Kirche der Cölestiner bestatten.36 Bei den Regularkanonikern der Eco-
liers-du-Val fanden die Messen der Bruderschaften der sergents d’armes statt
und zahlreiche königliche Offizielle wurden in der Kirche Sainte-Catherine
beigesetzt.37 Beide klösterliche Institutionen lagen in unmittelbarer geographi-
scher Nähe zu den königlichen Residenzen, was wahrscheinlich die personellen
und professionellen Netzwerke ermöglichte. Die Kanoniker von den Ecoliers-
du-Val erhielten von Karl VI. und seiner Ehefrau Elisabeth von Bayern regelmä-
ßig großzügige Geldspenden und, zumindest sagt es so die Gründungscharta,
Mitglieder des Königshauses wollten Präbenden kaufen, um damit den Litera-
turorden der Cour amoureuse um 1400 zu finanzieren.38 In unmittelbarer Nähe
zur Residenz Saint-Pol gelegen, erlaubten die Regularkanoniker dem König
auch, direkt neben dem Kloster im Jahr 1387 ein Turnier abzuhalten.39 Die le-
bensweltlichen Verbindungen waren also mannigfaltig, die Klöster eng im
Stadtbild und mit dem königlichen Personal verbunden, aber in der Rolle als
politische Ratgeber waren andere Kleriker tonangebend. Um der Situation rund
um den Pariser Hof in der Zeit um 1380 gerecht zu werden, möchte ich das klös-
terliche Panorama um die Universität als religiöse Gemeinschaft erweitern und
beispielsweise mit den Kollegien, in denen die Studenten gemeinschaftlich leb-
ten und lernten, komplettieren.
Die Universität brachte Universalgelehrte und eminente politische Ratgeber
wie Nicole Oresme hervor, oder Möchtegern-Königseinflüsterer wie Pierre Sal-
mon. Auf beide werde ich wieder zurückkommen. In einem ersten Schritt um-
reiße ich kurz den theologischen und theoretischen Rahmen, weshalb Kleriker

36 Shaw, Celestine Monks of France (wie Anm. 2), S. 215, S. 224f.

37 Catherine Guyon, Les ecoliers du Christ. L'ordre canonial du Val des Ecoliers 1201-1539
(Travaux et Recherches/C.E.R.C.O. R 10), Saint-Etienne 1998, S. 264-273.

38 Für eine Edition der Urkunde siehe Carla Bozzouo/Helene Loyau, La cour amoureuse dite
de Charles VI, Paris 1982, Bd. 1, S. 35-45.

39 Guyon, Ecoliers, S. 260.
 
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