394 I Vanina Kopp
theoretischer Livre des faits d'armes et de chevalerie, der militärhistorische
Klassiker wie Flavius Vegetius und Honorat Bovet kompilierte, befasste sich
mit Kriegsrecht und Kriegslogistik und fand weite Verbreitung und Überset-
zungen ins Englische.79 Jean du Bueil, Waffenbruder Jeanne d'Arcs in der
Schlacht von Orleans und Militäradmiral Karls VII., kannte Christine de Pi-
zans Werk, das er für seinen eigenen, semi-autobiographischen „coming of
age"- und didaktischen Kriegsroman, den Jouvencel, verarbeitete.80 Neben
ihrer höfischen Dichtung mischte Christine de Pizan sich also auch in aktu-
elle Fragen der Politik ein; ihr letztes schriftliches Zeugnis von 1429 war das
Ditie Jehanne d'Arc, in dem sie die Figur der Heerführerin und Prophetin in
der Folge der biblischen Figuren Deborah, Esther oder Judith einschrieb.81
Ihr Vater, Thomas von Pizan, war bereits unter Karl V. aus Italien angewor-
ben worden; seines Zeichens Astrologe und Physikus des Königs, umwarb er
den Monarchen und seine Familie mit Ratschlägen, Horoskopen und Konjek-
turen nicht nur für alltägliche Detailfragen, sondern beriet auch bei Fragen
des Krieges oder der dynastischen Eheschließungen. Er stand damit in Kon-
kurrenz zu den Astrologen skeptisch gegenüberstehenden Juristen und Theo-
logen wie beispielsweise seinem ärgsten Kritiker, dem bereits genannten Ni-
cole Oresme, der gegen die königliche Vorliebe, astrologischen Rat für
politische Belange einzuholen, wetterte.82 Gleichzeitig waren sich auch Juris-
ten und Theologen nicht hold, die wiederum gegeneinander polemisierten, wer
denn am besten für das Allgemeinwohl spreche.83 Trotz, oder vielleicht wegen
der Diversität der Profile, so scheint es, hatten sie alle das Ohr der Herrschen-
78 Christine de Pizan, The Book of deeds of arms and of chivalry, translated by Sumner
Willard, ed. Charity Cannon Willard, Philadelphia 1999.
79 Bernard Ribemont, Le Livre des fais d'armes et de chevalerie: droit et didactique, in: Une
femme et la guerre a la fin du Moyen Age, hg. von Dominique Demartini/Claire Le Ninan/
Anne PAUPERT/Michelle Szkilnik, Paris 2016, S. 133-148.
80 Michelle Szkilnik, Le Jouvencel ou le Roman des faits d'armes et de chevalerie, in: Une
femme et la guerre (wie Anm. 79), S. 165-178, hier S. 165f. Für eine Edition vgl. Jean de Bueil,
Le jouvencel, suivi du Commentaire de Guillaume Tringant. Edition critique par Michelle
Szkilnik (Classiques frangais du Moyen Age, 182), Paris 2018.
81 Christine de Pisan [Pizan], Ditie de Jehanne d'Arc, ed. Angus J. KENNEDY/Kenneth Varty
(Medium TEvum Monographs. New Series 9), Oxford 1977, S. 33; für eine moderne Edition
siehe Christine de Pizan, Le dit de Jeanne d'Arc = Ditie Jeanne Darc, edite, presente et tradu-
it par Nathalie Desgrugillers-Billard, Clermont-Ferrand 2010.
82 Max Lejbowicz, Chronologie des ecrits anti-astrologiques de Nicole Oresme. Etude sur un
cas de scepticisme dans la deuxieme moitie du XIVe s., in: Autour de Nicole Oresme, hg. von
Jeannine Quillet, Paris 1990, S. 119-174.
83 Jacques Krynen, Les legistes „tyrans de la France"? Le temoignage de Jean Juvenenal des
Ursins, docteur in utroque, in: Droits savant et pratiques frangaises du pouvoir (XIe-XVe
siecles), hg. von Jacques Krynen, Bordeaux 1992, S. 279-299.
theoretischer Livre des faits d'armes et de chevalerie, der militärhistorische
Klassiker wie Flavius Vegetius und Honorat Bovet kompilierte, befasste sich
mit Kriegsrecht und Kriegslogistik und fand weite Verbreitung und Überset-
zungen ins Englische.79 Jean du Bueil, Waffenbruder Jeanne d'Arcs in der
Schlacht von Orleans und Militäradmiral Karls VII., kannte Christine de Pi-
zans Werk, das er für seinen eigenen, semi-autobiographischen „coming of
age"- und didaktischen Kriegsroman, den Jouvencel, verarbeitete.80 Neben
ihrer höfischen Dichtung mischte Christine de Pizan sich also auch in aktu-
elle Fragen der Politik ein; ihr letztes schriftliches Zeugnis von 1429 war das
Ditie Jehanne d'Arc, in dem sie die Figur der Heerführerin und Prophetin in
der Folge der biblischen Figuren Deborah, Esther oder Judith einschrieb.81
Ihr Vater, Thomas von Pizan, war bereits unter Karl V. aus Italien angewor-
ben worden; seines Zeichens Astrologe und Physikus des Königs, umwarb er
den Monarchen und seine Familie mit Ratschlägen, Horoskopen und Konjek-
turen nicht nur für alltägliche Detailfragen, sondern beriet auch bei Fragen
des Krieges oder der dynastischen Eheschließungen. Er stand damit in Kon-
kurrenz zu den Astrologen skeptisch gegenüberstehenden Juristen und Theo-
logen wie beispielsweise seinem ärgsten Kritiker, dem bereits genannten Ni-
cole Oresme, der gegen die königliche Vorliebe, astrologischen Rat für
politische Belange einzuholen, wetterte.82 Gleichzeitig waren sich auch Juris-
ten und Theologen nicht hold, die wiederum gegeneinander polemisierten, wer
denn am besten für das Allgemeinwohl spreche.83 Trotz, oder vielleicht wegen
der Diversität der Profile, so scheint es, hatten sie alle das Ohr der Herrschen-
78 Christine de Pizan, The Book of deeds of arms and of chivalry, translated by Sumner
Willard, ed. Charity Cannon Willard, Philadelphia 1999.
79 Bernard Ribemont, Le Livre des fais d'armes et de chevalerie: droit et didactique, in: Une
femme et la guerre a la fin du Moyen Age, hg. von Dominique Demartini/Claire Le Ninan/
Anne PAUPERT/Michelle Szkilnik, Paris 2016, S. 133-148.
80 Michelle Szkilnik, Le Jouvencel ou le Roman des faits d'armes et de chevalerie, in: Une
femme et la guerre (wie Anm. 79), S. 165-178, hier S. 165f. Für eine Edition vgl. Jean de Bueil,
Le jouvencel, suivi du Commentaire de Guillaume Tringant. Edition critique par Michelle
Szkilnik (Classiques frangais du Moyen Age, 182), Paris 2018.
81 Christine de Pisan [Pizan], Ditie de Jehanne d'Arc, ed. Angus J. KENNEDY/Kenneth Varty
(Medium TEvum Monographs. New Series 9), Oxford 1977, S. 33; für eine moderne Edition
siehe Christine de Pizan, Le dit de Jeanne d'Arc = Ditie Jeanne Darc, edite, presente et tradu-
it par Nathalie Desgrugillers-Billard, Clermont-Ferrand 2010.
82 Max Lejbowicz, Chronologie des ecrits anti-astrologiques de Nicole Oresme. Etude sur un
cas de scepticisme dans la deuxieme moitie du XIVe s., in: Autour de Nicole Oresme, hg. von
Jeannine Quillet, Paris 1990, S. 119-174.
83 Jacques Krynen, Les legistes „tyrans de la France"? Le temoignage de Jean Juvenenal des
Ursins, docteur in utroque, in: Droits savant et pratiques frangaises du pouvoir (XIe-XVe
siecles), hg. von Jacques Krynen, Bordeaux 1992, S. 279-299.