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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0396
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Königseinflüsterer oder Regierungsberater? I 395

den am Königshof, die offensichtlich offen für spekulatives wie auch theolo-
gisches und juristisches Expertenwissen waren, denn man wusste ja nie, wer
vielleicht den besten Tipp gab oder die beste Beratung anbot.
Schluss
Dieser Beitrag untersuchte die Rolle, welche die Berater im Umfeld Karls V. und
Karls VI. einnahmen, und diskutierte, inwiefern Mitglieder des klerikalen Stan-
des innovative Anwendungen auf die Fragen der Zeit einbrachten und somit Im-
pulse für die politischen Praktiken gaben. Ab der Regierungszeit Karls V. waren
zahlreiche strukturelle wie auch personelle Veränderungen eingetreten. Der
conseil für die Könige war über die Jahre hinweg zahlreichen Umwälzungen
unterworfen, die die Machtverhältnisse am Hof sowie die politische Instabilität
in Frankreich widerspiegelten: von einer erfahrenen Expertenregierung um die
Marmousets zu eher ruch- und richtungslosen Lagerregierungen um die Her-
zöge und wechselnden dauphins versuchten es zahlreiche Religiose und Kleriker
mit ihren Mitteln, innovative Impulse für die Regierungsreform zu geben und
sich als Ratgeber und Ratgeberinnen zu stilisieren. In diesem Kontext fokus-
sierte der Artikel auf die Ratgeberliteratur, die zu Zeiten der Valois-Könige,
vielleicht auch aufgrund der oben beschriebenen sozialen und personellen Kri-
sensituation, florierte und zirkulierte. Zahlreiche Religiose mischten sich mit
ihren Werken in die Tagespolitik ein: einige, wie Honorat Bovet, mit publizisti-
schem Erfolg, einige, wie Nicole Oresme, mit wenigen umgesetzten Ideen, an-
dere, wie Pierre Salmon, ohne das eine noch das andere. Doch der religiöse Stand
hatte nicht mehr das Monopol als Ratgeber: ehemalige Weltenbummler wie Phi-
lippe de Mezieres, Astrologen wie Thomas de Pizan oder gar Schriftstellerinnen
wie Christine de Pizan ergriffen mit Erfolg zur Feder, um ihre Meinungen und
Erfahrungen über Fürstenspiegel oder Erziehungsratgeber am königlichen Hof
kund zu tun, und somit selber einen innovativen Impuls nicht nur im Inhalt,
sondern auch in der Form zu geben.
Ich komme zum Schluss noch einmal auf die Cölestiner zurück. Es ist viel-
leicht kein Zufall gewesen, dass Philippe de Mezieres sich ausgerechnet den
Cölestinerorden als Rückzugsort ausgesucht hatte. Ihre privilegierte Situation
und die exzellenten Beziehungen zum Königshaus und zu Höflingen ist bereits
erwähnt worden. Die Tagespolitik machte jedoch nicht vor den Klostermauern
halt: Ludwig von Orleans, der Bruder Karls VI., legte per Testament fest, dass
er bei den Cölestinern beerdigt werden wollte, im Habit der Klostergemein-
 
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