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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0407
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406 I Vaclav Zurek

lange, und möglicherweise auch aus anderen Gründen änderte sich das Vorha-
ben - Karl IV. ließ die Insignien schließlich in die Burg Karlstein bringen. Den-
noch stand das Kloster auch weiterhin unter der schützenden Hand des Kai-
sers - 1354 gründete Karl IV. das dem Prager Karlshof unterstellte Priorat in
Ingelheim, also an einem Ort, von dem geglaubt wurde, dass hier Karl der Große
geboren wurde.25
Eine der Aufgaben der hiesigen Kanoniker, insbesondere in den Jahren 1349-
1355, also als Karl um die Kaiserkrone rang, war die Verehrung des Kultes des
heiligen Kaisers, der ein Patron mit hoher symbolischer Bedeutung für Karls
Politik und Kulturstreben und auch seinen Hof wurde. Der Kult war nur örtlich
und wurde selten vom Papst bewilligt; es ist klar, dass Karl IV. der größte spät-
mittelalterliche Förderer des Charlemagne-Kultes war. Schon 1349, bevor er da-
mit begann, Reliquien zu sammeln, bekam Karl drei Zähne Karls des Großen,
und einige schenkte er dem Karlshof. Der heilige Kaiser Karl der Große war im
Kloster symbolisch präsent. Die Architektur betont die Rolle dieses Kultes in
diesem Prager Kloster - der oktogonale Grundriss der Kirche verweist auf den
Aachener Münster und das Siegel des Abtes bildet den heiligen Kaiser ab. Die
Aufgabe der Chorherren - die Propagation und Verehrung des heiligen Kai-
sers - wurde vor allem in der literarischen Tätigkeit realisiert. Auch dieses Klos-
ter der Augustinerchorherren erhielt im 1379 das Privileg, das gemeinsame Dor-
mitorium in Zellen aufzuteilen, und genauso wie in dem Fall von Raudnitz
(siehe unten) auch hier ausdrücklich zu dem Zweck, dadurch den einzelnen
Chorherren Ruhe und Muße zum Studium zu geben.26
Mehrere spätere Handschriften, die mit diesem Kloster in Verbindung ge-
bracht werden bzw. aus seinem Skriptorium stammen, beweisen die Bestrebung,
diese Aufgabe zu erfüllen: beispielsweise die Vesperale und Matutinale, in denen
auf einer Miniatur der hl. Karl der Große das Schwert von einem Engel emp-
fängt und daneben der kniende Abt von Karlshof abgebildet ist.27 Ein anderes
Zeugnis ist eine Handschrift mit einer bemerkenswerten Kopie des Speculum
sanctorale von Bernard Gui. Diese Handschrift enthält mehrere zusätzliche Le-

25 Franz Machilek, Karl IV. und Karl der Große, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsver-
eins 104/105 (2002-2003), S. 113-145; Zoe Opacic, Carolus Magnus and Carolus Quartus.
Imperial Role Models in Ingelheim, Aachen and Prague, in: Art and Architecture of Medie-
val Mainz, hg. von Ute ENGEL/Alexandra Gajewski (The British Archaeological Associa-
tion Conference Transactions, 2003), Leeds 2007, S. 221-246.

26 Robert Folz, Le souvenir et la legende de Charlemagne dans l'Empire germanique medieval,
Dijon 1950, S. 439-465.

27 Heute Zittau, Christian-Weise-Bibliothek, Wissenschaftlicher und Heimatgeschichtlicher
Altbestand, Hs. A I, fol. 377v. Vgl. Pavel Brodsky, Iluminovane rukopisy v Christian-
Weise-Bibliothek v Zitave, in: Studie o rukopisech 36 (2005-2006), S. 243-270, hier S. 244.
 
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