Metadaten

Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0221
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
146

Die Idee der Universität [1946]

gänglich. Aber der führende Universitätsunterricht ist anders. Daß Vorlesungen und
Übungen derartig sind, daß der Student nicht ganz mitkommt, aber darin den Anreiz
gewinnt, durch gesteigerte Arbeit nachzukommen, ist besser als didaktisch verein-
fachte Totalverständlichkeit. Eigener Umgang mit Büchern und eigener Erwerb von
Anschauung in Laboratorien, Sammlungen, Reisen muß von Anfang an für den ein-
zelnen die Quelle des Studiums sein neben der Teilnahme am Unterricht. Wenn der
Maßstab der Besten für den Gang des Unterrichts den Ausschlag gibt, folgt der Durch-
schnitt nach Kräften. Alle arbeiten unter dem Anspruch, dem niemand voll Genüge
tut. Der Respekt vor dem geistigen Rang soll alle antreiben, sich aufzuschwingen.
Es ist unausweichbar, in den Vorlesungen einen Plan und eine Ordnung zu haben.
Die Reihenfolge, in der der Anfänger sie hört, ist nicht gleichgültig. Man entwirft da-
her Studienpläne, macht den Besuch gewisser Vorlesungen und Übungen obligato-
risch, kommt schließlich zu einer Reglementierung des Studiums. Die Verschulung
will gute Durchschnittserfolge mit einiger Sicherheit erzielen. Das nun ist ein für die
Universität verderblicher Weg. Mit der Freiheit des Lernens wird zugleich auch das Le-
ben des Geistes erstickt. Denn dieses ist immer nur ein glückliches, unberechenbares
Gelingen im Strom des Versagenden, nicht als des Durchschnitts zu erzielen. Die Un-
frohheit von Lehrer und Schüler in den Fesseln von Lehrplänen und Studienordnun-
gen, von Kontrollen und Massenleistungen, die Schwunglosigkeit der verständigen
Sachlichkeit sind der Ausdruck einer Atmosphäre, in der wohl gute Resultate techni-
schen Könnens und abfragbaren Wissens erzielt werden, aber das eigentliche Erken-
nen, das Wagende des Forschens und Sehens, unmöglich wird.

59

| Fünftes Kapitel
Kommunikation

Die Universität bringt Menschen zusammen, die wissenschaftlich erkennen und gei-
stig leben. Der ursprüngliche Sinn der Universitas als Gemeinschaft der Lehrer und
Schüler ist ebenso wichtig wie der Sinn der Einheit aller Wissenschaften. In der Idee
der Universität liegt die Forderung allseitiger Offenheit mit der Aufgabe grenzenlosen
Sichinbeziehungsetzens, um dem Einen des Ganzen indirekt sich zu nähern. Nicht
nur innerhalb der Sachgebiete der Wissenschaften, sondern auch im wissenschaftlich-
persönlichen Leben fordert die Idee die Kommunikation. Daher soll die Universität
der Rahmen sein, innerhalb dessen Forscher untereinander und Forscherund Schüler
in nächste Verbindung der Diskussion und der Mitteilung treten. Diese Kommunika-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften