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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0281
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Volk und Universität

um die Verwirklichung ihrer Idee geht, daß sie sich selber ständig korrigiert. Dann muß
das gerechte Urteil nicht an einzelnen Mängeln, nicht an den Entgleisungen festhal-
ten, sondern auf den Gang des Ganzen sehen.
Hören wir die gegenwärtigen scharfen Kritiken an der Universität,281 so können wir
ihnen nicht entgegentreten mit der Behauptung, sie seien schlechthin unbegründet.
Wir machen sie uns zu eigen, wo immer sie etwas Wahres treffen. Aber wir wenden uns
gegen sie, wo sie nicht mehr aus dem guten Willen entspringen, uns kritisch zu hel-
fen, sondern aus dem ungerechten Willen, uns durch einseitige Negation in unserem
Mühen zu diskreditieren. Es hilft niemandem, wenn wir ohne ausreichende Kenntnis
auf Grund von Gerüchten öffentlich angegriffen werden. Jeder Beruf, jede aufbauende
Arbeit braucht heute mehr als je Ermunterung.
Kommen solche Kritiken aus dem Volke? Ich glaube, nein. Trotz des öffentlichen
Mißtrauens und der Feindschaft, deren Quellen zuweilen erkennbar werden, sind die
Zeichen von Achtung und Neigung, die unserem Tun begegnen, wenn auch zumeist
unöffentlich, in ihrer Lebendigkeit zu deutlich. Selten ist in der Presse berichtet wor-
den, was wir getan haben. Selten kam ein Wort der Anerkennung. Sollen wir uns selber
rühmen? Ich wage es durch einige Hinweise auf Heidelberg - an den anderen Universi-
täten wird es ebenso gewesen sein. Seit den ersten Tagen nach der Besetzung durch die
amerikanischen Truppen sind wir unermüdlich tätig am Wiederaufbau der Hoch-
schule. Eine neue, einwandfreie Hochschulverfassung wurde schon im Sommer 1945
ausgearbeitet und im Winter von der deutschen Regierung genehmigt. Die Lehrtätig-
keit ist mit dem Rest des Lehrkörpers unter schwierigen Bedingungen seit August 1945,
für die gesamte Universität seit Januar 1946 in Gang gebracht. Die Studenten können
wieder studieren. Alle Beteiligten sind angestrengt, überangestrengt, das irgend Mög-
liche zu leisten. Die Substanz der Universität, die man öffentlich kaum sieht, nämlich
58 die Lehre in Vorlesungen, Seminaren | und Instituten, lebt. In den Gebieten der Wis-
senschaft, in denen Reinigung und Verwandlung der Lehre notwendig sind, wird
ernsthaft und verantwortlich gearbeitet, wenn die Ergebnisse auch nicht plötzlich fer-
tig dasein können. Der technische und Verwaltungsbetrieb wird trotz Entlassung so
vieler Beamten282 aufrechterhalten, wenn auch mit größter Mühe und entsagungsvol-
ler Anstrengung der gebliebenen und der neuen Beamten und Hilfskräfte.
Die Beurteilung der einzelnen wissenschaftlichen Leistungen seitens der Bevölkerung
ist unmöglich. Den Sachverstand besitzen für viele Leistungen auch die Kollegen nicht,
sondern nur die Fachgenossen. Etwas anderes aber wird öffentlich fühlbar oder wird es
nicht: gleichsam die Physiognomie eines lebendigen Geistes in den Menschen der Uni-
versität bis zur Gebärde und Lebensführung. Der geistig tätige Mensch geht auf in seiner
Arbeit. In Blick, Haltung, Benehmen gehorcht er keinem Typus, aber für den wahrneh-
mungsfähigen Beobachter ist etwas spürbar von dem verzehrenden Feuer der Wahrheit.
Hier liegt vielleicht der entscheidende Punkt. Worauf kann das Vertrauen zur Uni-
versität ruhen? Am Ende doch nur auf dem Vertrauen zu Persönlichkeiten, die an ihr
 
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