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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0280
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Volk und Universität

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Aber dazu ist erstens zu sagen: Große Gebiete der Wissenschaften erfahren durch
die Gegenwart keine Änderung ihrer Aufgabe und ihres Gegenstandes, wie die Mathe-
matik, die Naturwissenschaften. Sie sollen gerade unbetroffen von der Zeit die ihnen
gehörende Sache rein halten.
Zweitens ist in den Wissenschaftsgebieten, denen durch die Wandlung der Zeit neue
Aufgaben gestellt sind - besonders in der philosophischen, juristischen und theologi-
schen Fakultät -, die Leistung nicht von heute auf morgen fix und fertig zu erwarten.
| Drittens ist der Grundzug dieser Leistung nicht der Vorschlag für den Augenblick, 56
sondern das in Distanzierung erworbene Wissen vom heutigen Geschehen. Nicht
spröde gegen, vielmehr hingegeben an heutige Wirklichkeit muß das Erkennen doch
nicht in sie hineingerissen bleiben, sondern in Besonnenheit Abstand gewinnen. Nur
so kann es ohne Verschleierung die Tatbestände allseitig sehen und die Weite der Mög-
lichkeiten gewinnen. Aber die Wahrheit, die gegenwärtig not tut, wird durch die in al-
len Katastrophen gleichbleibende Wissenschaftlichkeit gesucht im Raum dessen, was
immer ist. Heute sind Politik, Wirtschaft, Geschichte, Recht von so vordringlichem
Interesse für jedermann, daß das Zurückbleiben dessen, was wir leisten, hinter dem,
was wir begehren, hier am stärksten fühlbar ist.
Wenn unter den gegenwärtigen Aufgaben der Hochschule das Studium der politi-
schen Realitäten, die Ausbildung politischen Wissens und Denkens besonders wichtig
ist, so ist vor einer Verwechslung zu warnen. Der Sinn der Hochschule schließt aus die
aktive Politik an der Hochschule selbst. Jeder Student kann, wenn er will, einer Partei
angehören und in ihr tätig sein. Er kann als Jugend mit aller Jugend des Volkes sich po-
litisch verbinden. Aber als Student mit Studenten bildet er nicht innerhalb der Uni-
versität Parteigruppen. Hier erforscht er die Parteien in dem politisch windstillen
Raum, in dem das Äußerste an Frage und Untersuchung gewagt, aber keine politische
Handlung vollzogen wird. Auch schärfste politische Gegner begegnen sich hier in der
Sachlichkeit, hören auf, Gegner zu sein, um gemeinsam zu lernen, um klarer zu wer-
den, um zu prüfen, um auch sich selbst immer von neuem zu prüfen. Die politische
Welt wird hier wie alles andere Erforschbare als eine Sache erforscht. Diskussionen sol-
len im Sinne der Untersuchung, nicht im Sinne der Propaganda geführt werden. Bei
der freien Diskussion ist Maßstab allein das geistige Niveau, das heißt die kritische
Selbstdisziplin, das Hörenkönnen, die Methodik des Denkens, die Schulung in einer
Kontinuität geistigen Lebens. Nicht Überreden ist die Haltung wissenschaftlicher Aus-
einandersetzung, sondern gemeinsames Ringen um das Wahre auf dem Wege zur Ge-
winnung zwingender Einsicht. Nicht Programme, sondern die Denk- und Tatsachen-
voraussetzungen aller Politik sind die Aufgabe der Wissenschaft.
| Eine rechte Beurteilung der Universität kann nur am Maßstab ihrer Idee erfolgen. 57
Niemals ist die Idee rein verwirklicht. Immer, auch in den Glanzzeiten der deutschen
Universitäten, waren die Mängel und Irrungen nicht gering. Nichts Menschliches ist
vollkommen. Entscheidend ist, daß die Universität auf dem Weg des ernsten Mühens
 
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