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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0291
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216

Die Verantwortlichkeit der Universitäten

- Es gibt keinen scharfen Schnitt zwischen jenen höheren Berufen und diesen beson-
deren Tätigkeiten. Im Einzelfall kann man zweifeln. Die Grenze kann sich verschie-
ben. Aber grundsätzlich besteht der Unterschied. Ihn zu leugnen wäre absurd. Die
Hochschule ist für die Erziehung zu den höheren Berufen da. Sie würde ihren Sinn ver-
lieren in einer Nivellierung der Berufe.
Die soziale Verantwortlichkeit der Hochschule fordert, diese besondere Aufgabe
nicht gedankenlos zum Schaden aller verlorengehen zu lassen. Aber es ist auch die Ver-
antwortung der Universität, Gebiete, die hochschulreif sind, einzugliedern. Zu fragen
ist: handelt es sich um einen der höheren Berufe, die es mit dem Ganzen des Mensch-
seins zu tun haben, um Gehalte, die ein ständiges Forschen erfordern, und deren Rang
durch ihre Idee gewährleistet ist? Es darf nicht ein beliebige Vermehrung der Fakultä-
ten stattfinden.
An neuen Fakultäten werden heute vor allem zwei erörtert: die pädagogische Fa-
kultät für die Ausbildung der Volksschullehrer und die technische Fakultät. Ohne so
wichtige Fragen beiläufig erledigen zu wollen, spreche ich also meine augenblickliche,
ihrer Natur nach korrigierbare Einsicht aus, daß ich eine pädagogische Fakultät als eine
Gefahr sowohl für das Wesen des Volksschullehrers wie für die Universität ansehe,
während mir die technische Fakultät, beginnend vielleicht mit der Architektur, als
Glied der Hochschule unentbehrlich scheint.292 Statt von diesen Einzelfragen möchte
ich von etwas Grundsätzlichem sprechen.
Mit der Vorsicht gegenüber Erweiterungen und mit dem Anspruch der Idee der Hoch-
schule stehen wir in einer eigentümlich deutschen Frage. Innerhalb der abendländi-
schen - europäischen und amerikanischen - Universitäten war bei gemeinsamem Ziel
die deutsche Universität eine besondere Ausprägung. Sie hatte das höchste Ansehen
in der Welt. Wir dürfen hoffen, daß sie noch späteren Geschlechtern der Völker eine
für uns ehrenvolle Erinnerung bleibt. Die Universität nun ist im Ursprung ihrer Idee
nicht dasselbe, was sie in der Durchsetzung mit nationalistischem und positivisti-
schem Geist, vollends was sie durch den Nationalsozialismus geworden ist. Es ist die
Frage, ob ihr Ursprung noch einmal der Ausgang geistiger Blüte werden kann, die ne-
ben den anderen Erscheinungen der Universitäten in der Welt so nur in Deutschland
gedeihen könnte. Wir glauben daran, und wir plädieren dafür, dieses kostbare Gut, das
zwar fast, aber nicht völlig, verloren ist, uns nicht durch aufgezwungene Umgestal-
tung der Institution zu nehmen. Dieses Deutsche in unserer Universität ist nicht et-
was als national Gewolltes, sondern ein Versuch der Menschheit in uns, gerichtet auf
etwas Übernationales.293 Deshalb haben Angehörige der Universität sich nicht selten
wie im Dienst einer Institution gefühlt, die der übernationalen Kirche analog ist. Sie
haben aktive Politik, selbst nationale Politik, als eine nicht der Universität eigene Sa-
che verworfen, die dem persönlichen heben außerhalb der Universität vorbehalten
 
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