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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0292
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Die Verantwortlichkeit der Universitäten

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bleibt. Will man uns dieses Gut, diesen Keim lassen, indem man uns allein entschei-
den läßt, was wir daraus werden - wird man es gar fördern? Wir wissen, daß wir auch
hierin dem Willen der Sieger unterworfen sind. Wir können nur zeigen, worum es sich
handelt, und können bitten. Das wollen wir tun und nicht schweigend geschehen las-
sen, was das Leben unseres Geistes vernichten würde, des Geistes, der in der furchtba-
ren Verkehrung Deutschlands seit 1933 zu einem großen Teil in die Verborgenheit ging
und jetzt einen letzten Versuch macht.
Die soziale Verantwortung nehmen wir in ihrem ganzen Ernst nur auf uns, wenn wir
die Idee der Hochschule ernst nehmen und aus ihr für das Volk und die Welt tätig sind.
Daher können wir manche beiläufigen Einrichtungen, die als sozial gerühmt werden,
nicht als sehr wichtig ansehen, obgleich wir sie bejahen: etwa Vorträge für das Publi-
kum, unmittelbare Teilnahme der Professoren an der Öffentlichkeit durch Presse und
Rundfunk, Angliederung mancher Ausbildungsmöglichkeiten in besonderen Fertig-
keiten, Aufnahme Vereinzelter, die durch eine Begabtenprüfung die Vorbildung erset-
zen. Nicht alle Ansprüche, die an die Hochschule im Namen des Volkes erhoben wer-
den, sind berechtigt. Auf das Volk berufen sich Kräfte, die nicht das Volk sind, so etwa
die mangelhafte Qualifikation der an der Universität nicht vorankommenden Leute,
die 1933 mit Erfolg im Namen des Volkes in Stellungen drängten, so das Ressentiment
der geistfeindlichen, neidischen Menschen, die das Dasein der Bildung, die sie nicht
haben erwerben können, vernichten möchten, so die Wirtschaftsmächte, die die Wis-
senschaften in ihre Zwecke einspannen möchten, wie die Industrien.
Wir haben Verantwortung nur gegenüber den echten Ansprüchen des Volkes. Das
Volk ist nicht die Masse,53 die je augenblicklich schnell veränderlich ihre blinden Be-
gehrungen durch Demagogen aussprechen läßt. Das Volk sind heute noch nicht die
Parteien. Das Volk sind auch nicht die Berufsverbände, die jeweils nur ihre eigenen In-
teressen vertreten. Die Instanz für uns liegt höher als all diese: beim Volke selbst, zu
dem auch wir gehören. Wie erreichen wir diese Instanz? Das ist eine Frage der gesam-
ten Politik, ob sie das Volk zur wirklichen Mitbeteiligung bringt, zur geistigen Bewe-
gung, zur öffentlichen Diskussion, oder ob sie es stumm hält, um in seinem Namen
durch bürokratische Machtapparate ein autoritäres Regime zu führen. Wir sind als
Hochschule nicht imstande und nicht berechtigt, unmittelbar an der Politik mitzu-
wirken. Wir können Politik nur geistig vorbereiten auf lange Sicht durch Erkenntnis.
Aber wirklich gedeihen werden wir nur, wenn uns das Vertrauen des Volkes trägt.
 
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