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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Hrsg.]; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0022
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Einleitung der Herausgeberin

XXI

dass in der Eifersuchtsarbeit bereits die methodologischen Koordinaten festgelegt sind,
welche die gesamte Jaspers’sche Psychopathologie markieren: der Dualismus von Er-
klären und Verstehen.
4. Phänomenologie als Abgrenzung von Leistungspsychologie
Auf das >Verstehen< kam Jaspers in seiner dritten Arbeit, dem Referat zur Intelligenz-
prüfung, das ebenfalls 1910 erschien, nur kursorisch oder vielmehr indirekt zu spre-
chen. Umso klarer war indessen die Botschaft: Das nahezu obsessive Streben nach Ob-
jektivität, dem sich die zeitgenössische »Leistungspsychologie«* * * * * 89 hingab, habe die
ursprünglichen, wesentlichen psychopathologischen Methoden, das Verstehen und
die Einfühlung, aus der Psychiatrie verdrängt. Die neuen Messtechniken - die moder-
nen Intelligenzprüfungen90 inbegriffen - seien zwar völlig legitim und gewinnbrin-
gend, jedoch nur als Hilfsmittel der Psychopathologie zu verstehen. Das Subjektive sei
keineswegs ein Hindernis, sondern das Wesentliche an dieser Wissenschaft selbst.
Jaspers’ gesamte >verstehende< Psycho(patho)logie kann man als einen Versuch anse-
hen, ganz im Sinne der zeitgenössischen Methodendebatte die Wissenschaftlichkeit des
Subjektiven, die Objektivität des Verstehens, zu behaupten: »Das Vorhandensein des Or-
gans der Einfühlungsfähigkeit vorausgesetzt (wie für den Histologen das Auge vorausge-
setzt werden muß) wird eine empirische Entscheidung für diese Richtigkeit durch Ver-
gleich und Kritik der Einfühlungserlebnisse im Prinzip so gut erreicht wie für die
Wahrnehmungen mit Sinnesorganen«, antizipierte er in seinem Intelligenz-Referat.91
Wie diese Kritik und dieser Vergleich erfolgen sollten, verriet er allerdings noch nicht,
ebensowenig äußerte er sich über die Natur jenes Verstehens oder jener Einfühlung.
Nur der Vergleich mit der Histologie erlaubt es, in der knappen Prämisse eine vage An-

die Jaspers am Ausgangstext vornahm. Ein systematischer inhaltlicher Vergleich der verschiede-
nen Auflagen steht noch aus. Für einen ersten Versuch siehe S. Kirkbright: »Ein kritischer Ver-
gleich zwischen den verschiedenen Auflagen von Karl Jaspers’ Allgemeiner Psychopathologie«, in:
S. Rinofner-Kreidl, H. A. Wiltsche (Hg.): Karl Jaspers' Allgemeine Psychopathologie zwischen Wissen-
schaft, Philosophie und Praxis, Würzburg 2008, 21-29.
89 Der Begriff >Leistungspsychologie< ist offenbar eine Wortschöpfung von Jaspers, um die experi-
mentelle Psychologie zu bezeichnen. Vgl. hierzu Stellenkommentar, Nr. 825.
90 Vgl. hierzu M. Bondy: »Psychiatrie antecedents of psychological testing (before Binet)«, in: Jour-
nal ofthe History ofthe Behavioral Sciences 10 (1974) 180-194; H. Grünwald: Die sozialen Ursprünge
psychologischer Diagnostik. Zur Genese, Struktur und Konkurrenz von Konzeptionen der Intelligenzdia-
gnostik, Darmstadt 1980, bes. 43-52.
91 Jaspers: »Die Methoden der Intelligenzprüfung und der Begriff der Demenz. Kritisches Referat«,
in diesem Band, S. 176. - Die Analogie mit der Histologie, um das Verstehen und die Einfühlung
wissenschaftlich zu legitimieren, war offensichtlich nicht beliebig gewählt: Die »mechanische
Objektivität« der Histologie war geradezu mustergültig - der Nobelpreis an Camillo Golgi und
Santiago Ramon y Cajal (1906) lag erst einige Jahre zurück. Vgl. hierzu L. Daston, P. Galison: Ob-
jectivity, New York 2007,115-190.
 
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