Die Trugwahrnehmungen
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Kritisches Referat582
(Aufgabe und Methode des Referats.) Die endlose Literatur über Sinnestäuschungen, zu-
mal wenn man das Wertvolle, was nicht gerade unter diesem Titel veröffentlicht ist,
mit berücksichtigen will, vollständig zu übersehen und zu referieren, ist wohl unmög-
lich. Von vornherein habe ich darum auf Vollständigkeit in den Literaturangaben ver-
zichtet. Ich habe mir die Aufgabe gestellt, den gegenwärtigen Bestand an Tatsachen
und Begriffen zu referieren. Überall suchte ich nach dem Originalen und Wesentlichen.
In der Anführung der Tatsachen und der Gesichtspunkte, die man angewandt hat, be-
mühte ich mich, Vollständigkeit einigermaßen zu erreichen. Darum konnte es aber
unterbleiben, jeden Autor zu nennen, der dasselbe, was schon vor ihm gesagt war,
noch einmal bestätigt hat. Es konnte auch unterbleiben, auf Rückständigkeiten jedes-
mal aufmerksam zu machen, wenn bekanntere Autoren diese längst überwunden ha-
ben. Vor allem das Positive sollte hervorgehoben werden.
Eine große Schwierigkeit bei der Benutzung der Literatur über unser Gebiet ist die
vielfach übliche Vermischung von Theorie, tatsächlicher Feststellung und Beschreibung. Die
Begriffe haben darum vielfach doppelte Bedeutung, eine theoretische und eine deskrip-
tive, die sie in einem unklaren wechselnden Lichte erscheinen läßt. Es fehlt uns beim
Studium der Literatur an festen Leit- und Grundbegriffen, wodurch wir nicht selten in
Verwirrung gebracht werden, sodaß wir nicht recht wissen, was wir mit der betreffen-
den Arbeit anfangen sollen. Die Theorien sind meistens den Autoren das Liebste und
Wertvollste. »Zur Theorie der Halluzinationen« ist Unendliches geschrieben. Einem
kritischen Referat fällt hier die Aufgabe zu, soweit es irgend möglich ist, zu trennen. Es
hat hinzuweisen auf die nicht weiter zurückführbaren, nicht beweisbaren Vorausset-
zungen, die nur evident erlebt werden können, z.B. den Unterschied von Wahrneh-
mung und Vorstellung, es hat die mit solchen Voraussetzungen gewonnenen deskrip-
tiven Unterscheidungen, die Typen, die kausalen und die verständlichen Beziehungen
herauszuheben und schließlich die Theorien für sich zu bringen. Allerdings kann diese
Trennung nicht geschehen, indem das Referat in jene verschiedenen Teile zerfällt, son-
dern überall geraten bei der Art der Literatur und wohl auch der Sache diese Dinge
durcheinander, die nun überall von neuem voneinander getrennt werden müssen.
Das Positive liegt in zwei Richtungen, die in einem gewissen Widerstreit stehen. Auf
der einen Seite bemühte man sich, in dem weiten Gebiete der Täuschungen prinzipi-
elle Unterscheidungen (wie etwa in Halluzinationen und Illusionen), genetische oder
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Kritisches Referat582
(Aufgabe und Methode des Referats.) Die endlose Literatur über Sinnestäuschungen, zu-
mal wenn man das Wertvolle, was nicht gerade unter diesem Titel veröffentlicht ist,
mit berücksichtigen will, vollständig zu übersehen und zu referieren, ist wohl unmög-
lich. Von vornherein habe ich darum auf Vollständigkeit in den Literaturangaben ver-
zichtet. Ich habe mir die Aufgabe gestellt, den gegenwärtigen Bestand an Tatsachen
und Begriffen zu referieren. Überall suchte ich nach dem Originalen und Wesentlichen.
In der Anführung der Tatsachen und der Gesichtspunkte, die man angewandt hat, be-
mühte ich mich, Vollständigkeit einigermaßen zu erreichen. Darum konnte es aber
unterbleiben, jeden Autor zu nennen, der dasselbe, was schon vor ihm gesagt war,
noch einmal bestätigt hat. Es konnte auch unterbleiben, auf Rückständigkeiten jedes-
mal aufmerksam zu machen, wenn bekanntere Autoren diese längst überwunden ha-
ben. Vor allem das Positive sollte hervorgehoben werden.
Eine große Schwierigkeit bei der Benutzung der Literatur über unser Gebiet ist die
vielfach übliche Vermischung von Theorie, tatsächlicher Feststellung und Beschreibung. Die
Begriffe haben darum vielfach doppelte Bedeutung, eine theoretische und eine deskrip-
tive, die sie in einem unklaren wechselnden Lichte erscheinen läßt. Es fehlt uns beim
Studium der Literatur an festen Leit- und Grundbegriffen, wodurch wir nicht selten in
Verwirrung gebracht werden, sodaß wir nicht recht wissen, was wir mit der betreffen-
den Arbeit anfangen sollen. Die Theorien sind meistens den Autoren das Liebste und
Wertvollste. »Zur Theorie der Halluzinationen« ist Unendliches geschrieben. Einem
kritischen Referat fällt hier die Aufgabe zu, soweit es irgend möglich ist, zu trennen. Es
hat hinzuweisen auf die nicht weiter zurückführbaren, nicht beweisbaren Vorausset-
zungen, die nur evident erlebt werden können, z.B. den Unterschied von Wahrneh-
mung und Vorstellung, es hat die mit solchen Voraussetzungen gewonnenen deskrip-
tiven Unterscheidungen, die Typen, die kausalen und die verständlichen Beziehungen
herauszuheben und schließlich die Theorien für sich zu bringen. Allerdings kann diese
Trennung nicht geschehen, indem das Referat in jene verschiedenen Teile zerfällt, son-
dern überall geraten bei der Art der Literatur und wohl auch der Sache diese Dinge
durcheinander, die nun überall von neuem voneinander getrennt werden müssen.
Das Positive liegt in zwei Richtungen, die in einem gewissen Widerstreit stehen. Auf
der einen Seite bemühte man sich, in dem weiten Gebiete der Täuschungen prinzipi-
elle Unterscheidungen (wie etwa in Halluzinationen und Illusionen), genetische oder