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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Editor]; Fonfara, Dirk [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0033
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XXXII

Einleitung der Herausgeberin

dass man hier bereits den späteren Philosophen »spüre«,151 priesen andere gerade de-
ren philosophische Unberührtheit. Gemäß dem Psychiater und Anthropologen Det-
lev Ploog war »dieses Buch in übersichtlicherer Weise als die in 7. Auflage vorliegende
»Allgemeine Psychopathologie< dazu angetan«, die für die Psychiatrie »so entschei-
dende Erkenntnis der methodischen Trennung von verständlichen und kausalen Zu-
sammenhängen, von Verstehen und Erklären neu zu durchdenken.«152
Spätestens mit dem hundertsten Jubiläum der Erstausgabe der Allgemeinen Psychopa-
thologie im Jahre 2013 hat sich die Frage nach dem »Überwuchern des Philosophischen«153
in den späteren Auflagen und nach ihrer tatsächlichen Bedeutung für die Psychopatho-
logie als Grundlagenwissenschaft neu gestellt. Neben der Vielfältigkeit der Argumente
und Schlussfolgerungen, welche die intensive, fast archäologische Auseinandersetzung
mit Jaspers’ großem Erstlingswerk zu diesem Anlass hervorgebracht hat, fällt die nahezu
konsequente Ausblendung der Frühschriften auf. Dabei hätten gerade diese eine gewich-
tige Argumentationsgrundlage liefern können - gleichgültig, ob man die Allgemeine Psy-
chopathologie als fons etorigo der Psychopathologie, als Geburtsurkunde der (bewussten)
Philosophie der Psychiatrie oder als bloße Synthese eines bereits vorhandenen, nur ver-
streuten Gedankenguts versteht.154 Einzeln betrachtet, aber vor allem als geschlossenes
Dokument, erlauben Jaspers’ frühe psychopathologische Arbeiten nämlich einen ein-
zigartigen Einblick in seine Arbeitsweise, in seine Fragestellungen und Lösungsvor-
schläge, kurz: in seine Methode. Diese ist nicht die Vorbereitung auf den Weg zur Psy-
chopathologie, sondern bereits der Weg selbst.
»Wer mit der Forschungspraxis der Humanwissenschaften vertraut ist, weiß, daß
das Nachdenken über die Methode in ihnen nicht, wie man gerne meint, am Anfang
steht, sondern nach der Praxis kommt, und zwar in Gestalt jener vorletzten Gedanken,
die mit Freunden geteilt und unter Mitarbeitern diskutiert werden und keine andere
Existenzberechtigung haben, als daß sie sich aus langer Auseinandersetzung mit den
Gegenständen der Forschung ergeben.«155
Viele Menschen haben meine Gedanken zu Jaspers’ Methode mit mir geteilt und
überhaupt möglich gemacht. Den Heidelberger Arbeitsstellenleitern der Karl-Jaspers-

151 Vgl. die Rezension von K. Pönitz in: Zentralblatt für die gesamte Neurologie und Psychiatrie 172 (1963)
199.
152 Die Rezension von D. Ploog erschien in: Klinische Wochenschrift 41 (1963) 969.
153 So äußerte sich Kurt Schneider (1887-1967) nach der Durchsicht des Inhaltsverzeichnisses der
4. Auflage der Allgemeinen Psychopathologie. K. Schneider an K. Jaspers, 24. Juni 1942, in: Jaspers:
Korrespondenzen I, 487.
154 Vgl. hierzu jeweils exemplarisch G. Stanghellini, T. Fuchs (Hg.): One Century ofKarl Jaspers’ Gen-
eral Psychopathology, Oxford 2013; M. Fulford u.a. (Hg.): Oxford Handbook ofPhilosophy and Psy-
chiatry, Oxford 2013; G. Berrios: »Jaspers and the First Edition of Allgemeine Psychopathologie«,
443; ders.: »Phenomenology, psychopathology and Jaspers: a conceptual history«, in: Historyof
Psychiatry n (1992) 303-327.
155 G. Agamben: Signatura Rerum. Zur Methode, Frankfurt a.M. 2009, 7.
 
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