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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Editor]; Fonfara, Dirk [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0153
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HO

Eifersuchtswahn

ohne jede Kritik) und den Eifersuchtswahn (Systematischer Wahn. Nicht immer dabei
der dauernde Gemütszustand der Eifersucht).
Wir finden ferner einmal einen auftauchenden Verdacht, der kritisch betrachtet,
schließlich begründet gefunden wird, und ein andermal ein mit dem Auftauchen der
Vorstellung sofortiges Sicherstehen der »Tatsache«.
Dementsprechend suchen die einen Beobachtungen anzustellen mit dem Wunsch
und mit der Hoffnung, den Verdacht zu entkräften mit Steigerung ihrer Depression
und Angst, wenn es nicht gelingt, während die anderen nur mit einer gewissen Genug-
tuung durch Beobachtungen das Feststehende bestätigen.
88 | Was die Genese des Eifersuchtswahns anlangt, hat dieser natürlich Zusammen-
hang mit allen nur möglichen psychotischen Symptomen, je nach dem Krankheits-
bild, in dem er auftritt. Für die Fälle, in denen der Eifersuchtswahn nicht untertaucht
in der Fülle der übrigen Symptome, greifen wir als wichtig heraus die kombinatorische
Genese, die Mitwirkung von Sinnestäuschungen und Erinnerungsfälschungen.305
Besonders kennzeichnend ist oft die Art der kombinatorischen Entstehung oder richti-
ger Beweisführung. Die harmlosesten Vorkommnisse, Änderungen im Benehmen,
zufällige Begegnungen auf der Straße, das »Sichkreuzen der Blicke in der Luft«, ver-
dächtige Geräusche, Unordnung im Zimmer, Erröten und Unsicherheit der Frau, Besu-
che usw. dienen als zureichende Gründe weitgehendster Schlüsse. Es liegt auf der
Hand, daß diese Ereignisse nicht Anlaß der Eifersucht waren, sondern daß die schon
vorhandene Eifersucht nach Gründen suchte und sie fand. Trotzdem kann die latente
Eifersucht durch zufällige derartige »Beobachtungen« aufs neue geschürt werden.
Werden einmal in dieser Weise tatsächliche Vorkommnisse »gedeutet«, pflegen
auch meist illusionäre Verfälschungen der Wahrnehmung hinzuzutreten. Es wird mehr
gesehen und gehört als das zufällige Knacken des Holzes, gleichgültige Flecke, immer
vorkommende Schatten u. dgl. Es brauchen diese Illusionen nicht über das hinauszu-
gehen, was bei lebhaftem Affekt, bei Erwartung oder Ermüdung jedem passiert, es sind
doch illusionäre Sinnestäuschungen. Hiervon völlig zu trennen sind die echten Stim-
men, Visionen, deliranten Erlebnisse. Eine besondere Art ist noch gegeben in dem
Zusammenhang der Eifersucht mit sexuellen Halluzinationen'.306

Solche sind wohl absolut charakteristisch für die Dementia praecox. Ein in bezug auf dieses Sym-
ptom klassischer Fall ist folgender: Frau Behrens erkrankte im 38. Lebensjahr mit Eifersuchtsideen.
Zu gleicher Zeit war sie arg auf geschlechtlichen Verkehr aus. Sie merkte, daß ihr Mann es mit ei-
ner Nachbarsfrau habe. Die gewöhnlichen Verdachtsmomente spielten eine Rolle: Die beiden ka-
men ihr zu oft zusammen, sie verständigten sich durch Blicke. Der eheliche Verkehr mit ihrem
Mann sei anders geworden. Er habe sie immer forthaben wollen, er hatte immer etwas an ihr aus-
zusetzen, war so grob. Sie hatte dann »ihre Ahnungen«. Zu allem diesen kam folgendes: Wenn der
Mann zum Hause hinausgehe und der Nachbarsfrau begegne, so spüre sie, wie ein Liebesgefühl wie
ein Strahl von ihr weggezogen werde und auf die andere Frau übergehe. Wenn der Mann diese Frau
mit Begierde ansehe, überkomme sie selbst ein unangenehmes Wohlgefühl, wie wenn ihr Mann bei
 
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