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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Editor]; Fonfara, Dirk [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0156
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Eifersuchtswahn

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Für keinen anderen psychotischen Zustand ist das Vorkommen des Eifersuchts-
wahns als solchen durch seine Häufigkeit charakteristisch wie für den Alkoholismus.
Es ist daher unnötig, aufzuzählen, wo überall er auftritt. Wir möchten nur darauf hin-
weisen, daß er bei den organischen Psychosen wie Paralyse315 und seniler Demenz'
wesentlich in den Anfangsstadien erscheint, daß er nicht selten eine Teilerscheinung
der Dementia-praecox-Gruppe“ bildet und hier die nur bei diesen vorkommende sexual-
halluzinatorische Begründung besitzen kann, und schließlich, daß er in den mannig-
fachsten Arten bei psychopathischen Persönlichkeiten auftritt: 1. in Verbindung mit
hysterischen Symptomen, wobei der auf mannigfaltigste Weise begründete Verdacht
schließlich durch Erinnerungsfälschungen und pseudologistische Vorgänge neue Nah-
rung gewinnt (vgl. Schüller, Fall 6); 2. in der Art von Zwangsvorstellungen auftretend,
die vorübergehend wahnhaften Charakter gewinnen (vgl. Schüller, Fall 9, klimakte-
rische Neurose mit Zwangsvorstellungen)''' ;316 3. bei den periodischen Verstimmungen der
Psychopathen, insbesondere der menstruellen | (Schüller, Fall 7); 4. als Charakterei- 91
gentümlichkeit, die im Alter zum Eifersuchtswahn sich steigert (Krafft-Ebing, S. 229,
Beobacht. 14). Ob diese Steigerung als Beginn einer senilen Demenz oder als abnormer
psychopathischer Ausdruck einer normalen Entwicklungsphase angesehen werden
muß, läßt sich nicht entscheiden.
Der Eifersuchtswahn bei psychopathischen Persönlichkeiten tritt im Wechsel und
in Verbindung mit anderen, den schon genannten und sonstigen Symptomen auf. Er
gründet sich bewußt auf Vermutungen, ist oft bloß Verdacht, läßt noch Zweifel zu,
läßt sich wohl durch illusionär verfälschte Wahrnehmungen oder Mißdeutungen
bestätigen, ist nie für Kritik endgültig und dauernd unzugänglich, rundet sich also
nicht zu einem auf bestimmte Vorgänge gegründeten systematischen und in seinem
System festgehaltenen Wahn ab.
Wir wenden uns nunmehr zu unserem ersten Kranken:
Julius Klug,317 kath., verheirateter Uhrmacher, geboren 1838, wurde im Jahre 1895 vom Land-
gericht der Heidelberger Klinik zur Begutachtung eingewiesen, da sein Verhalten (Eifersucht,
zahlreiche Beleidigungen, Bedrohung, Klagen bei Gericht) den Verdacht auf geistige Störung
erregt hatte. Seine Angelegenheiten hatten sich in folgender Weise entwickelt:
Er stellte im Jahre 1892 bei der Staatsanwaltschaft Antrag auf Bestrafung seiner Ehefrau sowie
einer Anzahl von Männern wegen Ehebruchs. Die Erhebungen ergaben die Haltlosigkeit seiner
Anzeige sowie die Vermutung geistiger Erkrankung. Da K. zufolge einiger Drohungen als
gemeingefährlich erschien, wurden die Akten dem Bezirksamt seines Ortes mitgeteilt. Dieses

i Ein guter Fall der zweite Wahlerts. Ferner der zweite Fall Többens.
ü Der dritte Fall Többens.
iü Hier ist eine neue Arbeit von Bechterew (Über zwangsweise Eifersucht. Monatsschr. f. Psych. u.
Neur. 26. 501. 1909) zu erwähnen. Allerdings handelt es sich in seinen interessanten Fällen nur
zum Teil um Zwangsvorstellungen. Einige leiden an durchaus berechtigter, nur in Intensität, Form
des Auftretens und ihren Wirkungen abnormer Eifersucht.
 
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