Eifersuchtswahn
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heit, aber auch positive Gerechtigkeit finden. Das ist mein Trost und meine Zuversicht.« - 1894
schreibt er: »Allenthalben, wo ich hinkam, begegneten mir die Leute mit scheuen, ängstlichen
Blicken und wichen mir aus.« - Die Schmähbriefe an den Amtsrichter enthalten bedeutend
maßlosere Ausdrücke: »Ich frage Sie, Sie scheinheiliger Heuchler, der, wie meine Frau, mit Gott
und dem Allerheiligsten Schindluder treibt, der, nachdem er unschuldige Mitmenschen total
zugrunde gerichtet hat, sich noch für fromm und christlich ausgibt, ist das christlich?« - 1895
erklärte er, der Amtsrichter habe das Verbrechen »ohne Grund nur aus teuflischer Bosheit began-
gen«, er schiebt ihm die Absicht unter, er wolle ihn zum Selbstmord treiben. Er wird verfolgt
von »dem Amtsrichter und seinen Helfershelfern«, jeden Schritt, den er tut, beobachten sie
durch »Spione und Aufpasser«, werden »meineidig«, ersinnen »teuflische Lügen«, alles nur, um
ihn »moralisch total niederzumorden«. Es taucht ihm die Vermutung auf, daß der Grund die-
ses Tuns seine Glaubenstreue sei. »Wenn ich kein Ultramontaner319 wäre, hätte die Närrisch-
erklärung nicht stattgefunden.«
Die körperliche Untersuchung ergab: Kleiner, leidlich genährter Mann mit schwacher Musku-
latur. Hautfarbe blaß, im Gesicht gelblich. Spärliches Haupthaar. Spitzgebauter, ziemlich klei-
ner Schädel, fast kein Hinterhaupt. Eigentümlich faltiges, verkniffenes Gesicht, schmale Augen-
spalten, fleischige herabstehende Nase, auffallend kleines Kinn. Tiefe Nasolabialfalten. Mund
zusammengepreßt, breit. Über dem allen ein stereotypes Lächeln. Innere Organe normal. Knie-
sehnenreflexe gesteigert, manchmal Klonus.320 Sonst neurologischer Befund intakt.
Das Heidelberger Gutachten stellte die Diagnose »Paranoia«. Die Frage nach der Gemeinge-
fährlichkeit beantwortete es dahin, daß zwar bei solchen Kranken Gewalttaten nie ausgeschlos-
sen seien, daß aber bei K., der zudem seine Drohungen als nicht ernst gemeint in Abrede stellte,
die Wahrscheinlichkeit dafür eine ziemlich geringe sei, da er eine mehr schwächliche als ener-
gische Natur habe. Eine dauernde unauffällige Beobachtung sei aber nötig.
K. wurde trotzdem von H. zunächst einige Tage ins Gefängnis und dann in eine Landesanstalt
überführt. In den ersten Wochen seines dortigen Aufenthaltes verfaßte er eine umfangreiche
Selbstbiographie, aus welcher die Sätze, die sich auf die letzten Ereignisse beziehen, angeführt
seien (das Landgericht hatte beschlossen, ihn zur Beobachtung einer Irrenanstalt zu überge-
ben): »Um nun gerade diesem, dem Allerschrecklichsten zu entgehen, ging ich in die Schweiz
zum Sohn, und hoffte dort in der Verbannung, meine Uhr fertig zu machen. Aber es war nicht
möglich, der Aufenthalt wurde mir durch das Benehmen des Sohnes, unmöglich gemacht, ich
wollte ihm nicht lästig fallen; ging später zum Bruder nach Straßburg, wo ich verhaftet und ins
Irrenhaus gebracht wurde. Über das dort Erlebte will ich hinweggehen. Mehr tot als lebendig
kam ich dort an. Das Herzübel von dem ich Eingangs gesprochen, mag wohl von Gram, Kum-
mer und Heimwehe gesteigert, sich immer mehr geltend machen. Am 28. Januar wurde ich von
dort abgeholt, und im Gefängnis in K. 10 Tage in Haft behalten. Auch hier erfuhr ich eine wei-
tere Steigerung des genannten Übels: so daß ich in den ersten drei Nächten einige Male glaubte
ersticken zu müssen, oder einen Herzschlag zu bekommen. Von da wurde ich ins Spital geführt
und nach 8 Tagen nach J. transportiert, wo ich nun, als wirklicher Irre, einen recht traurigen
aber leider Gottes ungewissen, deshalb nur um so betrübenderen Schicksal entgegensehe. Tag-
täglich, ja stündlich bete ich zum lieben Gott, um möglichst baldige Erlösung. Ich fühle täg-
lich, infolge von Gram, Kummer und unnennbarem Heimwehe nach den armen Kleinen, meine
Kräfte immer mehr schwinden. Mein mit so unsäglicher Mühe, Arbeit und Kosten hergestell-
tes Uhrwerk, dessen Vollendung die ganze Familie, wenigstens in pekuniärer Hinsicht retten
könnte, scheint endgültig dem Verderben, der Nichtvollendung geweiht zu sein. Von Gott und
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heit, aber auch positive Gerechtigkeit finden. Das ist mein Trost und meine Zuversicht.« - 1894
schreibt er: »Allenthalben, wo ich hinkam, begegneten mir die Leute mit scheuen, ängstlichen
Blicken und wichen mir aus.« - Die Schmähbriefe an den Amtsrichter enthalten bedeutend
maßlosere Ausdrücke: »Ich frage Sie, Sie scheinheiliger Heuchler, der, wie meine Frau, mit Gott
und dem Allerheiligsten Schindluder treibt, der, nachdem er unschuldige Mitmenschen total
zugrunde gerichtet hat, sich noch für fromm und christlich ausgibt, ist das christlich?« - 1895
erklärte er, der Amtsrichter habe das Verbrechen »ohne Grund nur aus teuflischer Bosheit began-
gen«, er schiebt ihm die Absicht unter, er wolle ihn zum Selbstmord treiben. Er wird verfolgt
von »dem Amtsrichter und seinen Helfershelfern«, jeden Schritt, den er tut, beobachten sie
durch »Spione und Aufpasser«, werden »meineidig«, ersinnen »teuflische Lügen«, alles nur, um
ihn »moralisch total niederzumorden«. Es taucht ihm die Vermutung auf, daß der Grund die-
ses Tuns seine Glaubenstreue sei. »Wenn ich kein Ultramontaner319 wäre, hätte die Närrisch-
erklärung nicht stattgefunden.«
Die körperliche Untersuchung ergab: Kleiner, leidlich genährter Mann mit schwacher Musku-
latur. Hautfarbe blaß, im Gesicht gelblich. Spärliches Haupthaar. Spitzgebauter, ziemlich klei-
ner Schädel, fast kein Hinterhaupt. Eigentümlich faltiges, verkniffenes Gesicht, schmale Augen-
spalten, fleischige herabstehende Nase, auffallend kleines Kinn. Tiefe Nasolabialfalten. Mund
zusammengepreßt, breit. Über dem allen ein stereotypes Lächeln. Innere Organe normal. Knie-
sehnenreflexe gesteigert, manchmal Klonus.320 Sonst neurologischer Befund intakt.
Das Heidelberger Gutachten stellte die Diagnose »Paranoia«. Die Frage nach der Gemeinge-
fährlichkeit beantwortete es dahin, daß zwar bei solchen Kranken Gewalttaten nie ausgeschlos-
sen seien, daß aber bei K., der zudem seine Drohungen als nicht ernst gemeint in Abrede stellte,
die Wahrscheinlichkeit dafür eine ziemlich geringe sei, da er eine mehr schwächliche als ener-
gische Natur habe. Eine dauernde unauffällige Beobachtung sei aber nötig.
K. wurde trotzdem von H. zunächst einige Tage ins Gefängnis und dann in eine Landesanstalt
überführt. In den ersten Wochen seines dortigen Aufenthaltes verfaßte er eine umfangreiche
Selbstbiographie, aus welcher die Sätze, die sich auf die letzten Ereignisse beziehen, angeführt
seien (das Landgericht hatte beschlossen, ihn zur Beobachtung einer Irrenanstalt zu überge-
ben): »Um nun gerade diesem, dem Allerschrecklichsten zu entgehen, ging ich in die Schweiz
zum Sohn, und hoffte dort in der Verbannung, meine Uhr fertig zu machen. Aber es war nicht
möglich, der Aufenthalt wurde mir durch das Benehmen des Sohnes, unmöglich gemacht, ich
wollte ihm nicht lästig fallen; ging später zum Bruder nach Straßburg, wo ich verhaftet und ins
Irrenhaus gebracht wurde. Über das dort Erlebte will ich hinweggehen. Mehr tot als lebendig
kam ich dort an. Das Herzübel von dem ich Eingangs gesprochen, mag wohl von Gram, Kum-
mer und Heimwehe gesteigert, sich immer mehr geltend machen. Am 28. Januar wurde ich von
dort abgeholt, und im Gefängnis in K. 10 Tage in Haft behalten. Auch hier erfuhr ich eine wei-
tere Steigerung des genannten Übels: so daß ich in den ersten drei Nächten einige Male glaubte
ersticken zu müssen, oder einen Herzschlag zu bekommen. Von da wurde ich ins Spital geführt
und nach 8 Tagen nach J. transportiert, wo ich nun, als wirklicher Irre, einen recht traurigen
aber leider Gottes ungewissen, deshalb nur um so betrübenderen Schicksal entgegensehe. Tag-
täglich, ja stündlich bete ich zum lieben Gott, um möglichst baldige Erlösung. Ich fühle täg-
lich, infolge von Gram, Kummer und unnennbarem Heimwehe nach den armen Kleinen, meine
Kräfte immer mehr schwinden. Mein mit so unsäglicher Mühe, Arbeit und Kosten hergestell-
tes Uhrwerk, dessen Vollendung die ganze Familie, wenigstens in pekuniärer Hinsicht retten
könnte, scheint endgültig dem Verderben, der Nichtvollendung geweiht zu sein. Von Gott und