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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Hrsg.]; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0192
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Eifersuchtswahn

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den »direkten« Parallelvorgängen würden zusammenfallen mit unseren früher definier-
ten »psychischen Prozessen«. Wir können sie darum, obgleich sie jetzt allein von der
physischen Seite her statuiert wurden, ebenso nennen, zumal wir sie nur von der psy-
chischen Seite her kennen.
Wir haben jetzt einander gegenüberstehend drei Begriffe definiert, die »Entwick-
lung einer Persönlichkeit«, den »psychischen Prozeß«, den »physisch-psychotischen
Prozeß«'. Wir stellen sie nochmals übersichtlich, schematisierend hin:

|i. Entwicklung einer
Persönlichkeit
2. Psychische Prozesse
3. Physisch-psychotische
Prozesse
Langsame, dem Lebens-
prozeß analoge Entwick-
lung von Kind an.
Von einem bestimmten Zeitpunkt an einsetzende neue Entwicklung.
-
Einmalige Aufpfropfung, ver-
gleichbar der eines Tumors.
Immer neues Einbrechen
heterogener Momente.
Akute Vorgänge bedeuten
keine dauernde Umwand-
lung. Der Status quo
ante346 wird wieder
hergestellt.
Akute Prozesse bedeuten eine
nicht restituierbare Umwandlung.
(Geht ein akuter Vorgang in
Heilung aus und fällt er nicht
unter die physisch-psychotischen
Prozesse, wird er als »Reaktion«
oder »periodischer« Vorgang
betrachtet, welche beiden Begriffe
wir hier vernachlässigen. Die
Träger dieser akuten Vorgänge
würden im übrigen unter 1. fallen.)
Ob die Umwandlung vorüberge-
hend oder dauernd ist, hängt
von dem zugrunde liegenden
physischen Prozeß, nicht von
den Eigenschaften der direkten
Parallelprozesse ab.
Man kann das ganze
Leben aus einer Persön-
lichkeitsanlage ableiten.
Man findet bei der Ableitung aus
einer Persönlichkeit seine Grenzen
an dem zu einer bestimmten Zeit
aufgetretenen Neuen, der hetero-
genen Umwandlung.
Die Abgrenzung erfolgt letzthin
durch Feststellung der Beson-
derheit des physischen Prozes-
ses.
Eine gewisse, wie bei normalen
psychischen Lebensvorgängen
psychologisch zu fassende Regelmä-
ßigkeit der Entwickelung und des
Verlaufs, in dem eine neue
Einheitlichkeit und ein weitgehen-
der rationaler und einfühlbarer
Zusammenhang besteht.
Wahllose Unregelmäßigkeit der
Symptome und des Verlaufs.
Alle Erscheinungen folgen sich
in unableitbarem Durcheinan-
der, da sie als sekundär nicht
nur von dem direkten Parallel-
prozeß, sondern vielmehr von
dem physischen Hirnprozeß
abhängig sind.

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Wenden wir nun unsere Begriffe auf die beiden Fälle an: Bei Klug und Mohr finden
wir jeweils einen umfassenden rationalen Zusammenhang: die Eifersuchtswahnbil-
dung mit den aus ihr entspringenden Konsequenzen (vgl. früher unter 2, 5, 6). Dieser

Es ist selbstverständlich, daß es sich hier um vorläufige, heuristische Begriffe handelt, daß diese
Begriffe nicht einen Einzelfall wirklich erschöpfend bestimmen können, daß zwischen ihnen
Übergänge bestehen.
 
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