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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Editor]; Fonfara, Dirk [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0200
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Eifersuchtswahn

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ten eines Kreisarztes trat ebenfalls für K.s geistige Gesundheit ein. Eine Entmündigungsklage
seiner Frau wurde auf diese Weise abgewiesen. Bald nachher reichte K. Klage auf Ehescheidung
ein (1887), welche sofort durch Widerklage Beantwortung erfuhr. Das Gericht stellte sich auf
Seite der Frau. Die Ehe wurde geschieden. Seine Frau, die als junges Mädchen »durch Unzufrie-
denheit, Mangel an Kindlichkeit und Harmlosigkeit« auffiel, wurde später geisteskrank und
befindet sich verblödet in einer Anstalt.
In den nächsten Jahren war K., allgemein hochgeachtet, als tüchtiger Pfarrer im Amte tätig.
Er war beliebt und geschätzt. In anerkannter Weise betätigte er sich auf sozialem Gebiete. Sein
Haushalt wurde nacheinander von mehreren Damen geführt. - Eine der Haushälterin[nen] gab
an, er habe stets großes Mißtrauen gehabt und die Neigung, gleichgültige Vorkommnisse mit
seiner Person in Beziehung zu bringen. Es wird ferner behauptet, was K. bestreitet, daß er eine
Hausdame, welcher er die Ehe versprochen haben soll, einschloß, wenn er ausging.
Im Jahre 1896 - dritte Ehe, mit einem 24jährigen Mädchen: auch diese Ehe war von Anfang
an unglücklich. Seine Angaben lauten (Klageschrift 1905): Schon auf der Hochzeitsreise habe
er mit seiner Frau Differenzen gehabt. Sie sei eigensinnig gewesen, habe ein boshaftes Gemüt
gehabt, sie habe stets Zank und Streit gesucht, ihn sogar gelegentlich mißhandelt, ihn öffent-
lich blamiert. Ihren fortgesetzten Ehebruch habe er vergeblich durch Anlage von Schlössern an
Türen und Fenstern, durch Versetzung in eine andere Pfarre zu verhindern gesucht. Doch die
Frau nahm die Schlösser wieder fort. Schließlich habe sie sogar versucht, ihn durch Chloroform
im Schlafe zu betäuben. - In Heidelberg führte er noch näher aus: Zur Eifersucht habe er schon
lange Grund gehabt; er könne Beispiele in großer Zahl bringen. Seine Frau machte und empfing
Besuche ohne sein Wissen. - Als er einmal von einer Reise zurückkehrte und sie fragte, ob sie
sich gelangweilt habe, sagte sie: »Nein, ich habe mich recht gut unterhalten.« Als er einmal zu
einer Zeit, wo er meist abwesend zu sein pflegte, zufällig zu Hause geblieben war, kam ein Herr.
Als er ihn fragte: »Womit kann ich Ihnen dienen?« geriet dieser in große Verlegenheit, stotterte
und wußte nicht, was er sagen sollte. Es sei offenbar gewesen, daß er zu seiner Frau wollte. - Er
gebe zu, alles dies seien keine Beweise: aber man habe Grund zu Verdacht. Jedoch seien noch
viel belastendere Dinge vorgekommen: Einmal habe sich eine Leiter an ihrer Schlafstube leh-
nend gefunden. - Auch habe er öfters morgens eine dunkle Erinnerung gehabt, als ob seine Frau
nachts aus dem Hause gegangen wäre; deshalb habe er auf die Schwelle Sand streuen lassen. Als
er nachher die schwarzen Strümpfe seiner Frau prüfte, fand er, wie erwartet, Sandkörner darin. -
Aus allen diesen Gründen habe er einen Mann angestellt, das Haus nachts zu bewachen. Der
behauptete freilich, nichts Auffälliges bemerkt zu haben, das sei aber natürlich kein Beweis, daß
nichts passiert sei. K. räumte ein, er habe oft von 9-1 Uhr gewacht und gelauscht, sei im Haus
mit Streichhölzern umhergeschlichen, bereit, eines anzuzünden, um jemand ins Gesicht zu
leuchten, | der von seiner Frau gekommen wäre. - Zeugen geben an, K. habe, um Klarheit zu
bekommen, Späher angestellt, die nachts acht geben sollten, ob niemand zu seiner Frau schlei-
che. - Er fragte die Magd, ob sie nichts von dem ehebrecherischen Treiben der Frau bemerke.
Frau K. bestätigt das ganz unleidlich gespannte Verhältnis der Gatten; jedoch habe schuld
nur der Mann durch seinen unbegründeten Argwohn. Er habe sie ohne jede Ursache verdäch-
tigt, daß sie sich jedem geschlechtlich preisgebe, auch Männern aus niederen sozialen Schich-
ten. Vor Zeugen sprach er die gemeinsten Beschimpfungen gegen sie aus; auch mißhandelte er
sie körperlich. Ferner schreibt Frau K.: »Mein Mann ist trotz seiner Impotenz sehr sinnlich ver-
anlagt, sein ganzes Denken und Handeln bezieht sich auf geschlechtliche Gebiete.« Minderjäh-
rige Mädchen habe er verführen wollen. »Eines Mittags kam ich in seine Studierstube, da hatte

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