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Eifersuchtswahn
Nunmehr möchten wir von einem Kranken berichten, der wohl ebenfalls unter
den Begriff des Prozesses fällt, wo aber der Prozeß sich in der Entstehungsphase lang
hinzieht, indem zwei Jahre vor Auftreten der Wahnbildung schon leichtere Störungen
anderer Art voraufgingen:
Michael Bauer, geboren 1849, katholisch, seit 1876 verheiratet, aufgenommen 1901. - Keine
Heredität. Körperlich immer gesund. 7 gesunde Kinder. Regelmäßige und geordnete, ziemlich
anstrengende Lebensweise als Landwirt (auf seinen Wunsch vom Pfarrer bescheinigt). Kein
Alkoholmißbrauch. - In der Jugend bestand ein Hang zu Grübeleien und leichte Erregbarkeit
zu Zorn.
Seit dem 49. Lebensjahr litt er an Schlaflosigkeit und trüben Gedanken. 2 Jahre später (V2 Jahr
vor dem Eintritt in die Klinik) bekam er die Wahnidee, seine Lrau sei ihm untreu gewesen. Der
älteste Sohn sei nicht sein rechtes Kind. Die Idee wechselte dann: Der älteste sei sein Kind, dage-
gen der zweite Sohn nicht. Auch wechselte die Vorliebe für eines seiner Kinder mit einer förmli-
chen Abneigung gegen diese (ärztlicher Bericht). Seine Lrau bestätigt das Bestehen leichter Stö-
rungen (Schlafmangel, Klagen über Unruhe) seit 3 Jahren. Die Geisteskrankheit datiert seit einem
L2 Jahre. Sie habe ziemlich plötzlich mit Aufregung und Schlaflosigkeit angefangen, ohne daß er
jedoch verwirrt gesprochen hätte. Wegen der Unruhe erhielt er einmal ein Schlafpulver. Darauf
habe er etwa 10 Minuten laut gesungen und behauptet, das Schlafpulver habe ihn verwirrt
gemacht. - Der Dekan hatte ihm auch ein Schlafpulver gegeben. Von diesem behauptete B., daß
es ihm die Natur genommen habe, seitdem habe er auch kaum mit der Lrau geschlechtlich ver-
kehrt. - Beständig fürchtete er, daß seine Lrau sich mit anderen abgebe. Er glaube jetzt nicht bloß,
daß seine Frau außer ihm noch ein oder zwei Liebhaber habe, nein, das ganze Dorf kenne sie.
Beständig sei er hinter ihr her, sie könne nicht auf den Abtritt gehen, ohne daß er sie verfolge.
Nachts habe er die Haustüre selbst verschlossen und die Schlüssel zu sich genommen. - Er habe
geäußert, sie wolle ihn ermorden, darum schlafe er allein. - Es sei im letzten halben Jahre biswei-
len auch zu Mißhandlungen gekommen, während er früher der beste Mann gewesen sei.
Die Untersuchung in der Klinik fand einen frühzeitig gealterten, schwerhörigen, im übrigen
körperlich gesunden Mann. Er zeigte sich in jeder Hinsicht orientiert, war völlig besonnen, faßte
gut auf, war attent und lebhaft, gab ausführliche, klare und sachliche Auskunft. Sein Benehmen
war durchaus natürlich. Er bestritt energisch, geisteskrank zu sein. Im Frühjahr dieses Jahres
habe er eine Nervenerschütterung gehabt, über deren Natur keine genauen Angaben zu erhal-
ten waren. Er habe nicht schlafen können, da er sich über seine Frau geärgert habe, die es mit
anderen Männern halte. Er genüge ihr nicht. Bald nach der Heirat habe sie sich einen zweiten
Mann gehalten, seit mehreren Jahren einen dritten. Angezeigt habe er sie nicht, da er keine Zeu-
gen für seine Beobachtungen habe. Der eine, mit dem sie schon 29 Jahre verkehre, heiße Wille,
mit dem zweiten, Hofmann, habe er seine Frau schon vor 7 Jahren auf dem Abort getroffen, auch
im Bett hätten die beiden zusammen gelegen. Daß der Hofmann zu seiner Frau komme, wisse
der Pfarrer aus dem Beichtstuhl, aber auch sein Nachbar und dessen Frau könnten es vor Gericht
bezeugen, daß er ein- und ausging. Einmal fand er nachts das Parterrefenster im Haus ausgeho-
ben. Auch wolle seine Frau nicht mehr bei ihm schlafen, sondern schlafe bei der ältesten Toch-
ter. - Mit großer Energie bestritt er, jemals behauptet zu haben, daß sein ältester Sohn nicht von
ihm sei. Wenn er das überhaupt jemals behauptet habe, so könne das nur während seiner Ner-
venzerrüttung gewesen sein, infolge des Schlafpulvers, das ihn ganz verwirrt im Kopfe gemacht
habe. Seine Kinder seien alle von ihm selbst.
Eifersuchtswahn
Nunmehr möchten wir von einem Kranken berichten, der wohl ebenfalls unter
den Begriff des Prozesses fällt, wo aber der Prozeß sich in der Entstehungsphase lang
hinzieht, indem zwei Jahre vor Auftreten der Wahnbildung schon leichtere Störungen
anderer Art voraufgingen:
Michael Bauer, geboren 1849, katholisch, seit 1876 verheiratet, aufgenommen 1901. - Keine
Heredität. Körperlich immer gesund. 7 gesunde Kinder. Regelmäßige und geordnete, ziemlich
anstrengende Lebensweise als Landwirt (auf seinen Wunsch vom Pfarrer bescheinigt). Kein
Alkoholmißbrauch. - In der Jugend bestand ein Hang zu Grübeleien und leichte Erregbarkeit
zu Zorn.
Seit dem 49. Lebensjahr litt er an Schlaflosigkeit und trüben Gedanken. 2 Jahre später (V2 Jahr
vor dem Eintritt in die Klinik) bekam er die Wahnidee, seine Lrau sei ihm untreu gewesen. Der
älteste Sohn sei nicht sein rechtes Kind. Die Idee wechselte dann: Der älteste sei sein Kind, dage-
gen der zweite Sohn nicht. Auch wechselte die Vorliebe für eines seiner Kinder mit einer förmli-
chen Abneigung gegen diese (ärztlicher Bericht). Seine Lrau bestätigt das Bestehen leichter Stö-
rungen (Schlafmangel, Klagen über Unruhe) seit 3 Jahren. Die Geisteskrankheit datiert seit einem
L2 Jahre. Sie habe ziemlich plötzlich mit Aufregung und Schlaflosigkeit angefangen, ohne daß er
jedoch verwirrt gesprochen hätte. Wegen der Unruhe erhielt er einmal ein Schlafpulver. Darauf
habe er etwa 10 Minuten laut gesungen und behauptet, das Schlafpulver habe ihn verwirrt
gemacht. - Der Dekan hatte ihm auch ein Schlafpulver gegeben. Von diesem behauptete B., daß
es ihm die Natur genommen habe, seitdem habe er auch kaum mit der Lrau geschlechtlich ver-
kehrt. - Beständig fürchtete er, daß seine Lrau sich mit anderen abgebe. Er glaube jetzt nicht bloß,
daß seine Frau außer ihm noch ein oder zwei Liebhaber habe, nein, das ganze Dorf kenne sie.
Beständig sei er hinter ihr her, sie könne nicht auf den Abtritt gehen, ohne daß er sie verfolge.
Nachts habe er die Haustüre selbst verschlossen und die Schlüssel zu sich genommen. - Er habe
geäußert, sie wolle ihn ermorden, darum schlafe er allein. - Es sei im letzten halben Jahre biswei-
len auch zu Mißhandlungen gekommen, während er früher der beste Mann gewesen sei.
Die Untersuchung in der Klinik fand einen frühzeitig gealterten, schwerhörigen, im übrigen
körperlich gesunden Mann. Er zeigte sich in jeder Hinsicht orientiert, war völlig besonnen, faßte
gut auf, war attent und lebhaft, gab ausführliche, klare und sachliche Auskunft. Sein Benehmen
war durchaus natürlich. Er bestritt energisch, geisteskrank zu sein. Im Frühjahr dieses Jahres
habe er eine Nervenerschütterung gehabt, über deren Natur keine genauen Angaben zu erhal-
ten waren. Er habe nicht schlafen können, da er sich über seine Frau geärgert habe, die es mit
anderen Männern halte. Er genüge ihr nicht. Bald nach der Heirat habe sie sich einen zweiten
Mann gehalten, seit mehreren Jahren einen dritten. Angezeigt habe er sie nicht, da er keine Zeu-
gen für seine Beobachtungen habe. Der eine, mit dem sie schon 29 Jahre verkehre, heiße Wille,
mit dem zweiten, Hofmann, habe er seine Frau schon vor 7 Jahren auf dem Abort getroffen, auch
im Bett hätten die beiden zusammen gelegen. Daß der Hofmann zu seiner Frau komme, wisse
der Pfarrer aus dem Beichtstuhl, aber auch sein Nachbar und dessen Frau könnten es vor Gericht
bezeugen, daß er ein- und ausging. Einmal fand er nachts das Parterrefenster im Haus ausgeho-
ben. Auch wolle seine Frau nicht mehr bei ihm schlafen, sondern schlafe bei der ältesten Toch-
ter. - Mit großer Energie bestritt er, jemals behauptet zu haben, daß sein ältester Sohn nicht von
ihm sei. Wenn er das überhaupt jemals behauptet habe, so könne das nur während seiner Ner-
venzerrüttung gewesen sein, infolge des Schlafpulvers, das ihn ganz verwirrt im Kopfe gemacht
habe. Seine Kinder seien alle von ihm selbst.