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Die Methoden der Intelligenzprüfung und der Begriff der Demenz
sie im Wesen der Sache begründet sind. Dies sind die Methoden des »Verstehens«375
und der begrifflichen Verarbeitung unserer »Einfühlungserlebnisse«, dieser Erlebnisse,
die die eigenartige Grundlage der psychologischen und psychopathologischen For-
schung bilden, wenn sie sich ganz auf eigenem Gebiet befindet. Man könnte die Fähig-
143 keit zu Einfühlungserleb|nissen als das besondere Beobachtungsorgan des Psychopa-
thologen den Sinnesorganen vergleichen, die das Mittel für chemische, histologische
und andere Beobachtungen sind. Die Wahrnehmungen der Sinnesorgane bedürfen
des Vergleichs untereinander und der Kritik, ebenso die Einfühlungserlebnisse; beide
bedürfen der Herstellung günstiger Bedingungen für ihre Wirksamkeit, die Sinnesor-
gane der besonderen physikalischen Umstände, der Apparate usw., die Einfühlung der
Methoden der Hervorrufung möglichst mannigfaltiger für sie geeigneter, verstehbarer
Äußerungen der Kranken. Hier entwickelt sich die zweite Reihe der Methoden der
Intelligenzprüfung. Diese Methoden führen zu »objektiven« Daten, nicht dieser selbst
wegen, sondern nur wenn sie geeignet für das »Verstehen« sind; sie haben ihr Wesen
nicht in Messungen mit Apparaten und dgl., sondern einerseits in Begriffsentwicklun-
gen, die das »Verstehen« und »Einfühlen« soweit als möglich mitteilbar machen, und
andererseits in der Anweisung zu planmäßiger Unterhaltung mit den Kranken in der
Stellung von Fragen und Aufgaben'.376 Für diese Untersuchungen hat der Begriff der
»Objektivität« eine andere Bedeutung als für die ersteren. Nicht im sinnlich Wahr-
nehmbaren, Gemessenen oder Gezählten besteht sie, sondern in der »Richtigkeit«
einer bestimmten »Einfühlung« oder eines bestimmten »Verstehens«. Das Vorhanden-
sein des Organs der Einfühlungsfähigkeit vorausgesetzt (wie für den Histologen das
Auge vorausgesetzt werden muß) wird eine empirische Entscheidung für diese Rich-
tigkeit durch Vergleich und Kritik der Einfühlungserlebnisse im Prinzip so gut erreicht
wie für die Wahrnehmungen mit Sinnesorganen.
Diese allgemeinen und unverbindlichen Bemerkungen, die zur Begründung ihrer
Richtigkeit gewiß einer eingehenden logischen Erörterung und weiteren Analyse
bedürften, sollen nur die Richtungen andeuten, in denen wir das Gebiet unseres Refe-
rates betrachten wollen.
Die Arbeiten und Ansichten, die unser Thema betreffen, ordnen wir nun in der
Weise, daß wir zunächst über die einzelnen Untersuchungsmethoden nebst ihren Resulta-
Rieger (Beschreibung der Intelligenzstörungen infolge einer Hirnverletzung nebst einem Entwurf
zu einer allgemein anwendbaren Methode der Intelligenzprüfung. Verhandl. d. phys.-med. Ge-
sellsch. in Würzburg. 1888) führt in seiner schönen grundlegenden Arbeit eine Stelle aus Leibniz
an. Dieser spreche »von einer gewissen Kunst zu fragen, bei denen Gelegenheiten, da seltsame
Dinge oder sonderbare Personen zu sehen oder zu sprechen sind, von denen viel zu erfahren ste-
het; damit man nämlich solche vorbeistreichende und nicht wiederkommende Fügung wohl brau-
che und nicht hernach auf sich selbst böse sei, daß man dieses oder jenes nicht gefragt oder be-
obachtet«. Und Leibniz meint, daß selbst ein schlechter Kopf »mit den Hilfsvorteilen«, nämlich
einer festgelegten Methode des Fragens, es dem Besten zuvortun könne.
Die Methoden der Intelligenzprüfung und der Begriff der Demenz
sie im Wesen der Sache begründet sind. Dies sind die Methoden des »Verstehens«375
und der begrifflichen Verarbeitung unserer »Einfühlungserlebnisse«, dieser Erlebnisse,
die die eigenartige Grundlage der psychologischen und psychopathologischen For-
schung bilden, wenn sie sich ganz auf eigenem Gebiet befindet. Man könnte die Fähig-
143 keit zu Einfühlungserleb|nissen als das besondere Beobachtungsorgan des Psychopa-
thologen den Sinnesorganen vergleichen, die das Mittel für chemische, histologische
und andere Beobachtungen sind. Die Wahrnehmungen der Sinnesorgane bedürfen
des Vergleichs untereinander und der Kritik, ebenso die Einfühlungserlebnisse; beide
bedürfen der Herstellung günstiger Bedingungen für ihre Wirksamkeit, die Sinnesor-
gane der besonderen physikalischen Umstände, der Apparate usw., die Einfühlung der
Methoden der Hervorrufung möglichst mannigfaltiger für sie geeigneter, verstehbarer
Äußerungen der Kranken. Hier entwickelt sich die zweite Reihe der Methoden der
Intelligenzprüfung. Diese Methoden führen zu »objektiven« Daten, nicht dieser selbst
wegen, sondern nur wenn sie geeignet für das »Verstehen« sind; sie haben ihr Wesen
nicht in Messungen mit Apparaten und dgl., sondern einerseits in Begriffsentwicklun-
gen, die das »Verstehen« und »Einfühlen« soweit als möglich mitteilbar machen, und
andererseits in der Anweisung zu planmäßiger Unterhaltung mit den Kranken in der
Stellung von Fragen und Aufgaben'.376 Für diese Untersuchungen hat der Begriff der
»Objektivität« eine andere Bedeutung als für die ersteren. Nicht im sinnlich Wahr-
nehmbaren, Gemessenen oder Gezählten besteht sie, sondern in der »Richtigkeit«
einer bestimmten »Einfühlung« oder eines bestimmten »Verstehens«. Das Vorhanden-
sein des Organs der Einfühlungsfähigkeit vorausgesetzt (wie für den Histologen das
Auge vorausgesetzt werden muß) wird eine empirische Entscheidung für diese Rich-
tigkeit durch Vergleich und Kritik der Einfühlungserlebnisse im Prinzip so gut erreicht
wie für die Wahrnehmungen mit Sinnesorganen.
Diese allgemeinen und unverbindlichen Bemerkungen, die zur Begründung ihrer
Richtigkeit gewiß einer eingehenden logischen Erörterung und weiteren Analyse
bedürften, sollen nur die Richtungen andeuten, in denen wir das Gebiet unseres Refe-
rates betrachten wollen.
Die Arbeiten und Ansichten, die unser Thema betreffen, ordnen wir nun in der
Weise, daß wir zunächst über die einzelnen Untersuchungsmethoden nebst ihren Resulta-
Rieger (Beschreibung der Intelligenzstörungen infolge einer Hirnverletzung nebst einem Entwurf
zu einer allgemein anwendbaren Methode der Intelligenzprüfung. Verhandl. d. phys.-med. Ge-
sellsch. in Würzburg. 1888) führt in seiner schönen grundlegenden Arbeit eine Stelle aus Leibniz
an. Dieser spreche »von einer gewissen Kunst zu fragen, bei denen Gelegenheiten, da seltsame
Dinge oder sonderbare Personen zu sehen oder zu sprechen sind, von denen viel zu erfahren ste-
het; damit man nämlich solche vorbeistreichende und nicht wiederkommende Fügung wohl brau-
che und nicht hernach auf sich selbst böse sei, daß man dieses oder jenes nicht gefragt oder be-
obachtet«. Und Leibniz meint, daß selbst ein schlechter Kopf »mit den Hilfsvorteilen«, nämlich
einer festgelegten Methode des Fragens, es dem Besten zuvortun könne.