Metadaten

Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Editor]; Fonfara, Dirk [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0226
License: Free access  - all rights reserved
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die Methoden der Intelligenzprüfung und der Begriff der Demenz

183

nungusw.) dem konstanten Zustand des betreffenden Individuums entsprechen, wenn
wir bei der Inventaraufnahme durch dasselbe das dispositionelle Gegenstandsbewußt-
sein untersuchen wollen. Das dispositionelle Gegenstandsbewußtsein des betreffenden
Individuums messen wir an dem allgemeinen, allerdings nicht der Menschheit, son-
dern des Kreises, aus dem es stammt. Das ideale Gegenstandsbewußtsein schließlich
geht uns nichts an. Es ist wohl allgemein anerkannt, daß zum Erwerb der verschiede-
nen Kategorien des Gegenstandsbewußtseins verschiedene Fähigkeiten nötig sind. Wir
besitzen jedoch keine Einteilung solcher Kategorien, die auf diese Fähigkeiten gegrün-
det wäre, sondern nur logische Einteilungen, die man, da man nichts Besseres hat, provi-
sorisch zu einer Aufstellung der verschiedenen Vorstellungen und Begriffe genommen
hat, um Gesamtschemata zu entwerfen, die in der Inventaraufnahme über das von
Rodenwaldt untersuchte allgemeine Schul- und Lebenswissen hinausgehenk Wir
müssen hier natürlich im Prinzip unterscheiden zwischen dem Prüfen des Inventars
mit der Frage, ob alle die geforderten Kategorien im geistigen Besitzstände vertreten
sind, von dem Prüfen der Fähigkeit, in den einzelnen Kategorien neu dargebotene
Gedanken zu begreifen oder auf Fragen selbst etwas Bestimmtes zum erstenmal zu den-
ken. Fragen letzterer Art gelten nicht als Inventarfragen, sondern als Mittel, die eigent-
liche Intelligenz zu untersuchen.
Waren die Fragen bei der Inventaraufnahme möglichst solche, die bei normaler
Aufmerksamkeit und Reproduktionsfähigkeit ohne weitere geistige Arbeit eine über-
wiegend mechanische Beantwortung ermöglichen, so liegt es doch auf der Hand, daß
solche Fragen umsomehr Anforderungen an neue geistige Arbeit stellen, je ungewohnter
die Form ist, in der die Kenntnisse reproduziert werden sollen. Es lassen sich Fragen
stellen, die zu ihrer Beantwortung nicht nur Kenntnisse, sondern auch eine Leistung
der Auswahl, des Zusammensuchens für diese bestimmten Fragen erfordern. Diese Fra-
gen eignen sich dementsprechend weniger zur Inventaraufnahme, waren aber als viel
geeigneter zur Beurteilung der Intelligenz längst hochgeschätzt. Über solche Fragen
gibt es keine genaueren Untersuchungen bezüglich der vorkommenden typischen
Arten ihrer Beantwortung, erst recht nicht über die Beziehung solcher Antworten zur
| Durchschnittsintelligenz, zu besonderen Begabungen usw.Ü Es ist vielmehr der 150
unmittelbare Eindruck der Schwierigkeit solcher Fragen und der Art der erfolgenden
Antwort, der nach der persönlichen Erfahrung eine mehr oder weniger überzeugende
Beantwortung erlaubt. So hat Wernicke (Grundriß S. 523) betont, wie geeignet Unter-
schiedsfragen"1400 auch zur Demonstration feiner Defekte der Intelligenz seien. Wernicke
meint, daß schiefe, unzutreffende, verschrobene Antworten auf solche Fragen das auf-

i Vgl. die Schemata von Ziehen und Sommer.
ü Ein Ansatz dazu nur bei Schultze und Rühs und Klieneberger l.c.
iü Er führt z.B. als Fragen an: den Unterschied von Volk, Nation und Staat; Religion, Glaube und
Überzeugung; Preußen und Deutschland; Berg und Gebirge; See und Teich u. dgl.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften