Metadaten

Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Hrsg.]; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0228
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Methoden der Intelligenzprüfung und der Begriff der Demenz

185

etwa bei der Frage nach Lüge und Irrtum Beispiele von einem von beiden zu geben und
beantworten zu lassen, was das sei. Dies erscheint sehr zweckmäßig. Hierdurch wird
festgestellt, wenn eine eigentliche Begriffsbildung nicht gelingt, ob entsprechende All-
gemeinvorstellungen da sind. Außer der Sprachgewandtheit muß man wohl auch eine
besondere Begabung für solche logische Formulierungen annehmen, die fehlen kann,
ohne daß der Betreffende darum schwachsinnig ist. Das Ausschlaggebende ist, ob die
den klar bewußten Begriffen entsprechenden Allgemeinvorstellungen, wenn Gelegen-
heit zu ihrer Anwendung gegeben wird, mit Sicherheit in richtiger Weise auftreten.
Solche Gelegenheiten entstehen zu lassen, ist dann die Aufgabe einer Unterhaltung,
in der die Intelligenz geprüft werden soll. Es ist darum ein Nichtbeantworten von
Unterschiedsfragen schwer zu verwerten, ein törichtes Beantworten dagegen fällt sehr
in die Waagschale und ein Versagen auf die Aufgabe im Ziehenschen Sinne dürfte das
Fehlen der betreffenden Allgemeinvorstellung annehmen lassen.
Analog den Unterschiedsfragen sind noch eine große Reihe von Fragen ausgedacht
worden, die ebenfalls sich nicht an die Kenntnisse, sondern an die Intelligenz wen-
den. Diese Fragen sind manchmal aus einem psychologischen System, aus einer Theo-
rie entstanden. Diejenigen aber, die sich als brauchbar verbreitet haben, haben dies
nur dadurch gekonnt, daß es auf den ersten Blick einleuchtend war, wie Antworten
darauf entweder Intelligenz oder Schwachsinn besonders deutlich offenbarten. Eine
Analyse solcher Antworten liegt auch hier nirgends vor, eine zahlenmäßige Feststel-
lung usw. ist so wenig wie bei den Unterschiedsfragen erfolgt. - Ganz ähnliche Anfor-
derungen wie diese stellen z.B. die Definitionsfragen (was ist Undankbarkeit? usw.).
Diese werden, da sie weniger deutlich an den Untersuchten die Aufgabe stellen und
ihn vielfach noch ratloser lassen, seltener angewandt als jene, zumal sie nichts Neues
zu lehren scheinen. - Sehr gern wird gefragt: »Drei Arbeiter brauchen zu einer Arbeit
3 Tage, wieviel Tage braucht ein Arbeiter?« Ähnliche Anforderungen stellen Ziehens
Gleichungsaufgaben (ich denke mir eine Zahl, die Sie raten sollen. Wenn ich 8 hinzu-
zähle, erhalte ich 17. Welche Zahl ist das? und dgl.). Sehr üblich sind Rechenaufgaben,
bei denen die einfach mechanischen, durch Reproduktion zu beantwortenden durch-
aus zu trennen sind von den Aufgaben, die neue Arbeit erfordern. Eine etwas schwie-
rigere Aufgabe, wie etwa 117 - 29 überhebt den Untersucher hier, wenn sie richtig
beantwortet wird, weiterer Prüfung. - Ziehen läßt geläufige Reihen rückwärts aufsagen
(Monate, Zahlen) und meint auch hiermit eine Seite der Intelligenz zu fassen. Er hält
diese Methode sogar für ein »integrierendes Glied jeder Intelligenzprüfung«.401 -
Masselon402 hat angegeben, aus drei angegebenen Worten einen Satz bilden zu lassen,
eine ebenfalls beliebte Methode. - Solcher Fragen könnten noch manche aufgezählt
werden. Es ist wichtig, sich darüber klar zu sein, daß wir weit entfernt sind, ob und wie
weit mit solchen Fragen verschiedene Seiten der Intelligenz untersucht werden, daß
systematische Untersuchungen über die Beziehungen | der Arten von Antworten
zueinander völlig fehlen, daß wir vielmehr nur ein zunächst wertvolles Konglomerat

152
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften