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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Editor]; Fonfara, Dirk [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0243
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200

Die Methoden der Intelligenzprüfung und der Begriff der Demenz

die Urteilsassoziationen«.440 Er legte gebildeten Patienten in der Klausur 8 Aufgaben zur
schriftlichen Lösung vor. Diese Aufgaben sind aber vorwiegend Rätsel, so z.B.: Auf die
Frage, wen ein Bildnis eines jungen Mannes darstelle, wird von einer Dame geantwor-
165 tet: »Die Mutter dieses | jungen Mannes war die einzige Tochter meiner Mutter«.441 In
welchem verwandtschaftlichen Verhältnis stand die Dame zu dem jungen Mann? -
Oder: ein Postbote geht bei Glatteis, so daß man, wenn man einen Schritt vorwärtsgeht,
zwei Schritte zurückgleitet, und kommt doch ganz gut an sein Ziel. Wie machte er das? -
Seit Dezennien kranke Paranoiker lösten solche Aufgaben vorzüglich. - -
Hatten die bisherigen Methoden alle zugleich den Zweck, vielleicht irgendwie prak-
tische, diagnostisch brauchbare zu sein, verfolgen nur theoretische Absichten einige
Arbeiten, die sich mit der Frage des gesetzmäßigen Zusammenhangs verschiedener geistiger
Leistungsfähigkeiten beschäftigen. Es ist die Frage, ob solche gesetzmäßigen Zusammen-
hänge bestehen oder ob verschiedene Fähigkeiten sozusagen zufällig zusammengeraten.
In der Vulgärpsychologie drückt man mit der Bezeichnung »intelligent« nicht nur ein
Urteil über die bisherigen Leistungen, sondern auch »die Erwartung aus, daß das Indi-
viduum bei erheblich anderen als den bisher geprüften Leistungen sich ebenfalls mehr
oder weniger auszeichnen werde. Die wissenschaftliche Psychologie dagegen steht sol-
chen allgemeinen Zusammenhängen äußerst zurückhaltend und vielfach sogar ent-
schieden ablehnend gegenüber; für nicht wenige Psychologen ist die >Intelligenz< nur
ein Name für das zufällige Beieinandersein mehrerer günstiger Dispositionen«.442 Dieser
Gegensatz bildet das Problem einer hochinteressanten Arbeit von Krueger und
Spearman'.443 Diese benutzten die exakte Untersuchung und zahlenmäßige quantita-
tive und qualitative Bewertung einiger geistiger Leistungen (Tonhöhenunterscheidung,
Ebbinghaus’ Kombinationsmethode, Prüfung der taktilen Raumschwelle, Addieren ein-
stelliger Zahlen, Auswendiglernen von Zahlenreihen) zur Anwendung einer von Bravais
(1846)444 aufgestellten Formel zur Berechnung des »Korrelationskoeffizienten«. Dieser
hat die Eigenschaft, bei vollkommener Proportionalität zweier miteinander vergliche-
ner Wertreihen = 1, bei vollkommen umgekehrter Proportionalität = -1 und bei völliger
Unabhängigkeit = o zu sein. Die Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Fähigkeiten
sind gewiß keine absoluten. »Es kommt tatsächlich vor, daß ein als intelligent bezeich-
netes Individuum in einigen Hinsichten geistig nur Geringes zu leisten vermag. Man
wird höchstens ermitteln können, daß die eine Begabung eine größere oder kleinere Ten-
denz hat, die andere zu begleiten.«445 Den Grad dieses partiellen Zusammenhanges zu
berechnen, dazu dient die Bravaissche Formel. Zu einer Kritik dieser Formel und der wei-
teren Berechnungsweise (mit Hilfe einer »Ergänzungsformel« zur Kompensation der
zufälligen Fehler und einer »Korrektionsformel« zur Eliminierung konstanter störender
Faktoren) bin ich nicht imstande. Es muß auf die Erörterungen der Originalarbeit und

Krueger und Spearman, Die Korrelation zwischen verschiedenen geistigen Leistungsfähigkei-
ten. Zeitschr. f. Psychol. 44, 50.1906.
 
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