Metadaten

Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Editor]; Fonfara, Dirk [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0250
License: Free access  - all rights reserved
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die Methoden der Intelligenzprüfung und der Begriff der Demenz

207

Prüfungen völlig einleuchtend. Die Inventarprüfung, von der wir wohl überhaupt nicht
viel erwarteten, ist nach den Ergebnissen Rodenwaldts besonders belanglos geworden.
Wir stellen in ihr nur fest, was erworben ist, ohne einen Einblick in irgendeinen psycho-
logischen Mechanismus zu bekommen. So interessant solche Feststellungen des Inven-
tars für soziologische Zwecke sein mögen, für uns leisten sie wenig. So gering aber ihre
Bedeutung für die Auffindung von generellen Sätzen, von Kausalzusammenhängen und
Erklärungen ist, so groß ist sie doch für die Beurteilung des einzelnen Falles. Zwar bedeu-
tet auch hier die Kenntnis des Inventars an sich wenig, aber sie ist die Basis, auf der wir
erst die psychischen Lebensäußerungen des Individuums verstehen. Was der Vergleich
der Größe und der Qualität des Inventars mit anderen Faktoren bedeutet, haben wir frü-
her erwähnt. Die Inventarfragen lassen sich natürlich in infinitum ausdehnen, und all-
gemein zweckmäßige Fragen gibt es hier nicht. Immerhin haben sich einige aus dem
Grunde bewährt, weil sie auf die geläufigsten Kenntnisse gehen. Man findet solche in
den überall verbreiteten Fragebogen und an den zitierten Stellen.
Ganz andere Anforderungen müssen wir an die Fähigkeits fragen und an die Aufgaben
stellen. Hier denken wir mit jeder Methode eine besondere Seite der Intelligenz zu prü-
fen. Kommt es uns auf einige Inventarfragen mehr oder weniger nicht an, fragen wir bei
den neuen Aufgaben zumal wenn ihre Verwendung zeitraubend ist, was sie denn eigent-
lich leisten. Diese Frage werfen wir besonders auf, wenn wir in den Anleitungen zu prak-
tischen Untersuchungen diese Methoden einfach aufgezählt finden. Werde ich in sol-
chen Untersuchungsschemata aufgefordert, diese und jene Reflexe, diese und jene
Formen der Sensibilität, diese und jene Arten von Halluzinationen festzustellen, so weiß
ich, was diese Untersuchungen unter Umständen bedeuten können. Werde ich aber
angeleitet, Bilder benennen zu lassen, Geschichten zu erzählen, Aussagen zu veranlas-
sen, Sprichwörter erklären zu lassen, das Verständnis für Witze festzustellen, weiß ich
dann auch, wozu das alles? Nach Halluzinationen | muß ich bei jedem Patienten for- 172
sehen, über die Merkfähigkeit mir in jedem Fall klar sein, muß ich auch in jedem Fall das
Verständnis für Witze klarlegen? Es ist wohl selbstverständlich, daß alle diese Aufgaben
nicht als Selbstzweck gedacht sind, sondern wie man auf verschiedene, je nach dem Fall
passende Weise über die Merkfähigkeit sich orientiert, so sollen diese Aufgaben nur Mög-
lichkeiten sein, sich über die Intelligenz klarzuwerden. Aber leisten sie das? Wir müssen
hier, um den Wert der einzelnen Arbeiten nicht unrechterweise herabzusetzen, unter-
scheiden zwischen der Leistungsfähigkeit solcher Aufgaben zu theoretischen Zwecken
und ihrer Eignung zur täglichen Anwendung. Da können wir ohne weiteres feststellen,
daß keine dieser neuen Aufgaben trotz ihrer Kompliziertheit zurzeit für die Beurteilung
der Intelligenz im einzelnen Falle mehr leistet als eine geschickt geführte Unterhaltung
mit entsprechenden Fragestellungen. Das hindert nicht, daß uns jene komplizierten
Untersuchungen die Hoffnung erwecken, auch einmal für die alltäglichen Zwecke geeig-
netere Methoden zu bekommen. Werden diese Methoden aber schon jetzt in den Anlei-
tungen zur Diagnostik geführt, so ist das unseres Erachtens ein verfrühtes Übertragen
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften