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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Editor]; Fonfara, Dirk [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0251
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Die Methoden der Intelligenzprüfung und der Begriff der Demenz

theoretisch halbfertiger Leistungen in die Praxis. Wieviel Mühe mag mit solchen Aussa-
geexperimenten, Assoziationsprüfungen u. dgl. vergeblich geleistet werden! Denn sie
lehren für den Einzelfall jetzt diagnostisch sowohl wie für das Verständnis nicht mehr
als gewöhnliche Fragen, denen sie allerdings an Leistungsfähigkeit oft gleichkommen.
Manchmal gelingt es sogar, mit ihnen plötzlich eine Seite dem Verständnis zu erhellen,
wie es auch plötzlich bei der Antwort auf Fragen gelingt, die bis dahin nicht gestellt
waren. Aber dann hat die Berechnung dieser Versuche, die das eigentlich Mühsame ist,
keinen Zweck, denn diese Berechnung fördert zurzeit noch nicht. Ohne diese aber kann
man sie kaum als besondere Methoden ansehen. Wenn man da liest: Fabelmethode,
Sprichwörtermethode, Bildmethode, Witzmethode, glaubt man, das beliebig fortsetzen
zu können: Karikaturenmethode, Rätselmethode, Phonographenmethode, Kinemato-
graphenmethode'465 usw. Was wir mit allen diesen Fragen erreichen, ist bloß das, was wir
in unmittelbarem Verstehen erfassen, und wie weit dieses Verstehen mit der einen oder
anderen Frage gelingt, ist für uns im Einzelfall noch in hohem Maße vom Zufall abhän-
gig, und in der Auswahl der Fragen für den Einzelfall zwecks Demonstration von dessen
Eigenheiten zeigt sich die besondere intuitive Begabung des Psychiaters, die leider jetzt
noch weiter kommt als all die besonderen »Methoden«.
Ganz anders müssen wir aber diese Methoden ansehen, wenn wir nicht ihren Wert
für die gewöhnliche diagnostische Untersuchung, sondern für die Zwecke theoretischer
Aufhellung von Zusammenhängen zwischen verschiedenen geistigen Leistungsfähigkeiten und
die Feststellung, bei welchen Methoden etwa besondere Seiten getroffen werden,
betrachten. Hier ist der nächste Zweck immer ein theoretischer, eben der, solche Zusam-
menhänge zu finden, psychische Vorgänge zu analysieren und Kenntnisse zu gewin-
nen, die dann der Beurteilung der gewöhnlichen Äußerungen in der Unterhaltung auch
förderlich sein können. Aber es ist wohl auch ihr ferneres Ziel, exaktere Untersuchungs-
173 methoden zu finden, in denen psychologische Messungen resp. Zählungen auch | für
den Einzelfall wertvoll sein können. Gerade die Schöpfer der Methoden sind aber in der
Bewertung ihrer Leistungen in beiden Beziehungen sehr besonnen. Sie betonen durch-
weg das Vorläufige ihrer Aufstellungen. Es sind alles nur Vorarbeiten oder gar nur Vor-
schläge (Rodenwaldt, Stern, Roemer, Heilbronner, Scholl).
Wenn wir uns fragen, was eine Zustandsuntersuchung der Intelligenz überhaupt errei-
chen kann, und wie sie für immer begrenzt ist, so gelten wohl jetzt noch so gut wie vor
50 Jahren die Worte Spielmanns (Diagnostik der Geisteskrankheiten, 1855, S. 314):
»Der Arzt kann weder in den gegenwärtigen, momentanen Bestand des Bewußtseins
durch beliebige Anregungen so viel Inhalt bringen, als er braucht, ihn prüfen und aus-
wechseln, um alle Richtungen desselben zur Analyse zu zwingen, noch kann er aus
dem wirklich erkannten Inhalte des Vorstellens, Fühlens und Bewegens einen gerech-
ten Schluß ziehen, wie sich diese drei Systeme immer und bei allen Anregungen ver-

Vor kurzer Zeit tatsächlich von einem Autor zur Intelligenzprüfung vorgeschlagen.
 
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