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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Hrsg.]; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0327
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Zur Analyse der Trugwahrnehmungen

Er hört noch die gleichen Stimmen. »Es muß eine Stimme dabei sein, die muß allwissend sein«,
sagt er. Selbst wieviel Geld er überall verdient habe, sei bekannt. Der Inhalt der Stimmen ist man-
nigfaltig, doch vorwiegend aus depressiven Komplexen stammend. Sie sagen, er sei als Teufels-
kind geboren, unter dem Bette sei alles voll Geld, er solle nur unterschreiben, dann käme er zum
Teufel; er müsse sein Leben lang in solchen Häusern bleiben, die Stimmen würden ihn nie ver-
lassen, sie hätten beim lieben Gott angehalten, ihn verfolgen zu dürfen. Eine Stimme stellte sich
vor: »Ich bin der Schmidtbend.« Manchmal müsse er lachen, wenn es rufe: »Geh hinab zu dem
Lumpen, hau ihm fünf oder sechs hinauf«, und dann: »Jetzt hat er eins und noch eins und noch
eins.« Oder es wird kommandiert: »Kleider holen« usw. Er habe jetzt keine Angst mehr vor den
Stimmen. Anfangs dagegen habe er Angst gehabt und habe sich oft so geärgert, daß er das Essen
wegschmiß.
Nach der Lautheit der Stimmen gefragt, antwortet er, daß sie viel leiser sei als unsere Sprache,
wenn wir uns unterhalten, aber dennoch ziemlich laut. Wo die Stimmen seien? »Ich weiß nicht,
wo die sind, wo die sprechen. Sie sind nicht weit weg, ich könnte sie sonst nicht hören.« Nach
der Richtung gefragt, meint er, manchmal kämen sie aus der Höhe oder unter dem Kissen her
oder von hinten. Die Stimmen sind verschieden, manchmal hört er eine heisere Stimme, aber
nicht die eines bestimmten Menschen. »Ich kann überhaupt nicht urteilen, was das für Stim-
men wären.« Sie reden auch verschieden laut. Ganze Sätze sind immer sehr leise, einzelne Worte
lauter. Aufgefordert, vorzumachen, wie laut denn die Stimmen seien, bewegt er die Lippen, aber
man hört gar nichts, und er fragt: ich weiß nicht, ob der Herr Doktor es verstanden hat.
Er träumt viel und lebhaft, von Fegefeuer und Hölle. Das ist quälend: ich weiß nicht, gibt’s
eine Hölle oder nicht.
Die Depression hat sich etwas gebessert. Daß er krank sei, meine er nicht. Er könne wohl arbei-
ten. »Wenn ich die Stimmen nicht hätt, wär ich wie ein anderer.« Die Stimmen hätten ihn zwar
dumm gemacht, aber er wisse, was er tue. Gesichtsausdruck und depressives Verhalten sind
noch unverändert.
241 | In diesem Fall ist es uns wieder sehr wahrscheinlich, daß es sich um Pseudohallu-
zinationen handelte. Die Lautheit der Stimmen ist wieder wie im vorigen Fall, so daß
man nicht leise genug sprechen kann, um sie ihm richtig vorzumachen, und daß er
lautlos die Lippen bewegt, wenn er sie nachmachen will.
Die unsichere Lokalisation ist wieder charakteristisch. Daß überhaupt in den äuße-
ren Raum lokalisiert wird, das teilt dieser Fall mit beiden vorhergehenden. Wir vermu-
ten als den Grund die Unklarheit des psychologischen Urteils und das Fehlen jeder
bewußten Beobachtung. Im letzten Falle war es bei der Exploration auffallend, wie der
Kranke ganz und gar nicht in die Geistesverfassung gebracht werden konnte, sich ein-
mal genau zu vergegenwärtigen, wie die Stimmen eigentlich gewesen sind. Solche Fra-
gestellung und solche Beobachtung liegt ihm so fern, daß er in jedem Augenblick wie-
der auf den Inhalt der Stimmen abschweift, der ihm so viel wichtiger ist und der ihn
quält. Denn die Beschuldigungen sind nach seiner Ansicht wahr, und er muß immer
darüber nachgrübeln.
Es fragt sich bei der räumlichen Lokalisation, ob sie wirklich erlebt oder nachher im
psychologischen Urteil fälschlicherweise behauptet wurde. Im letzteren Falle verstehen
 
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