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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Editor]; Fonfara, Dirk [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0334
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Zur Analyse der Trugwahrnehmungen

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Glaslinsen ermöglicht würde, das Bild der Umgebung auf der Retina um 180° gedreht
erscheinen zu lassen«.573 Ein Auge wurde ausgeschaltet, »das andere mit dem Apparat
versehene Auge wurde durch etwa 21 Stunden auf die Wirkungen des letzteren für das
Sehen geprüft.«574 Alles schien zunächst verkehrt, das Zimmer auf den Kopf gestellt. »Die
Hände, die von unten in das Gesichtsfeld gebracht wurden, schienen von oben zu kom-
men und dementsprechend ergaben sich anfangs beträchtliche Störungen in der Aus-
führung aller Zweckbewegun|gen, die durch das Sehen dirigiert waren.«575 Was uns hier
interessiert, das sind Beobachtungen, die Stratton aus der ersten Zeit des Experimen-
tes mitteilt, wo alles verkehrt erschien, und die Hände von oben in das Gesichtsfeld zu
kommen schienen. »Obwohl alle diese Bilder klar und bestimmt waren, schienen sie zuerst
nicht wirkliche Dinge zu sein wie bei normalem Sehen, sondern sie schienen verschoben, falsche
oder illusorische Bilder zwischen dem Beobachter und den Objekten oder Bildern selbst;
denn die vom normalen Sehen her erhaltenen Erinnerungsbilder blieben auch weiter-
hin als das Muster und Kriterium der Wirklichkeit, die momentanen Wahrnehmungen
wurden für einige Zeit unwillkürlich in die Sprache des normalen Sehens versetzt, sie
wurden einfach als Zeichen benutzt zur Bestimmung, wie und wo das Objekt erschei-
nen würde, wenn es im normalen Sehen perzipiert würde. Die Dinge wurden in einer
Weise gesehen und in einer ganz anderen gedacht. Das gilt natürlich auch für den eigenen
Körper; seine Teile wurden dort gefühlt, wo sie bei normalem Sehen erscheinen, sie wur-
den aber in einer andern Position gesehen, aber die alte taktile und visuelle Lokalisation
waren noch immer die reale Lokalisation.«576 Aus der Zeit der Besserung dieses Dissen-
ses berichtet Stratton weiter: »Die lebhafte Verbindung zwischen taktiler und opti-
scher Perzeption begann allmählich die überwältigende Macht der alten, vom norma-
len Sehen her genommenen Lokalisation abzuschwächen; die gesehenen Bilder wurden zu
realen Dingen; ich fühlte endlich meine Füße an den gesehenen Fußboden stoßen,
obgleich dieser in der entgegengesetzten Richtung zu der des Gesichtsfeldes lag, in wel-
che ich zu Beginn des Experimentes diese Tastempfindung verlegt hatte.«577
Goldstein hat betont, daß das Kriterium für das Realitätsurteil das Bewußtsein der
Übereinstimmung der einzelnen Wahrnehmung mit dem gesamten Wahrnehmungs-
felde, und für das Bewußtsein dieser Übereinstimmung wiederum das Bewußtsein der
räumlichen Kontinuität des psychischen Einzelphänomens mit dem gesamten Wahr-
nehmungsfelde sei. Dies werde, meint Pick, durch die Versuche Strattons bestätigt.
Goldstein ging vom Realitätsurteil aus und fand durch Analyse als wichtigstes Moment für
dasselbe die räumliche Kontinuität. Hier werde künstlich eine räumliche Diskontinuität her-
gestellt und nun werden objektiv wirkliche Dinge für unwirklich gehalten. Also ein wahres
Experimentum crucis.
In dieser Auffassung der Versuche scheint uns eine Reihe von Verwechslungen zu lie-
gen. Der »Glaube an die Unwirklichkeit« der wirklichen Dinge ist kein Urteil. Die Vp.
urteilte ganz gewiß: die Dinge sind durch den Apparat auf den Kopf gestellt; ich sehe die
wirklichen Dinge, nur in umgekehrter Weise. Aber der Tatbestand war anders als bei

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