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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Editor]; Fonfara, Dirk [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0351
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Die Trugwahrnehmungen

gänge verbunden sind. Wir können nun die Erscheinungen in jedem dieser Typen
nach der illusionären Seite gesteigert denken und kommen dann zu ebenso unterschie-
denen pathologischen Illusionen.
Dem ersten Typus würde ein Teil der Verkennungen, falschen und ungenauen Wahr-
nehmungen entsprechen, die z.B. bei Paralytikern und Deliranten vorkommen. Soweit
das falsche Vorlesen, das falsche Hören, das Verkennen optischer Wahrnehmungen
auf solchen Illusionen beruht, kann es durch Analyse assoziativer Zusammenhänge
in manchen Fällen verständlich werden. Bonhoeffer schildert, wie Deliranten sze-
nenhafte Illusionen aus der Verkennung eines Bildes, das gezeigt wird, entwickeln. Die
Illusionen stehen in einem assoziativen, ideenflüchtigen Zusammenhang:
»Ein Bild des Herbstes aus der Kinderfibel zeigt im Vordergründe, wie ein Apfelbaum geleert
und Kartoffeln gegraben werden; im Hintergründe wird gepflügt, gesäet, und ein Jäger schießt
nach einem Hasen. Rechts ist ein Weinberg, von dem die Weingärtner mit Bütten herabsteigen.
In der Höhe ist ein Schwarm Vögel. Das Bild wird von einem Deliranten folgendermaßen gedeu-
tet (auf den mit Kartoffelgraben beschäftigten Mann deutend): Ein Stellmacher tut frisch
geschlagene Fichten abrinden. Ein anderer rührt den Acker um. Hier ist die Feuerwehr (die Büt-
ten tragenden Winzer), mittels Wagen ist Feuerwehr da; lauter Dampfmaschinen; i, 2,3, 4, 5,6,
7 Wagen mit Mannschaft. Hier hat es gebrannt; geradeherüber an dem Apfelbaum hat es
gebrannt. Sie sind fertig, sie räumen die Schläuche auf. Hier ist ein Schwarm Tauben, wahr-
scheinlich aus dem Hause, das abgebrannt ist. Daneben steht ein Schutzmann (der Jäger). Der
trinkt Grog. Grog muß es sein, er wischt mit dem Taschentuch.«616
Immer ist in diesen Fällen die mangelnde Aufmerksamkeit der Faktor, der in Verbin-
dung mit den dann wirksamen assoziativen Vorgängen diese Illusionen begreiflich
macht, ebenso wie die entsprechenden »normalen« Illusionen.
Der zweite Typus wird durch die Illusionen repräsentiert, die Kranke in Affekten erle-
ben, aus deren Inhalt die Inhalte ihrer trügerischen Wahrnehmung verständlich sind.
In der Angst sieht der eine die Kleider an der Wand als hängende Teichen, dem Depres-
siven klingt ein gleichgültiges Geräusch wie Klirren von Ketten.
Am interessantesten ist der dritte Typus bei Geisteskranken. Ohne daß wir den
Inhalt aus Affekt oder assoziativen Prozessen verstehen könnten, in besonnenem,
ruhigem Zustand sehen diese Kranken in allen möglichen Wahrnehmungen die merk-
würdigsten Dinge. Es scheint, daß diese Kranken solchen Illusionen meist mit richti-
gem Urteil gegenüberstehen. Einige Fälle mögen diesen Typus illustrieren:
Eine Kranke der Heidelberger Klinik sah bei voller Besonnenheit und Orientierung, so daß sie
ihre Erscheinungen gelegentlich auf Papier nachzeichnete, auf der Bettdecke »wie eingestickt«
und an der Wand Menschen- und Tierköpfe, sämtlich farblos. Sie sah grimassierende Fratzen und
deutete auf Sonnenflecke an der Wand als solche. Solche Dinge sah sie jahrelang und wußte
immer, daß es sich um Täuschungen handelte. Sie berichtete z.B. einmal: das Auge bringt aus
263 jeder Vertiefung und Erhöhung ein Gesicht heraus. Anfangs April sah ich | den Kopf meines
Vaters lebend. An Erscheinungen glaube ich nicht, aber meine Augen haben es gesehen; ich war
 
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